Erben und Vererben - Der Auslegungsvertrag

Das Erbrecht ist bekanntermaßen streitanfällig, insbesondere dann, wenn Nachlassregelungen laienhaft oder undeutlich formuliert sind. In derartigen Fällen können sich die Beteiligten im Wege eines Auslegungsvertrages darüber einigen, wie die Verteilung des Erbes vorzunehmen ist. Dabei müssen jedoch die Voraussetzungen und Rechtswirkungen sowie die erbschaftssteuerlichen Auswirkungen eines Auslegungsvertrages beachtet werden. 

Der Auslegungsvertrag ist gesetzlich nicht geregelt; er ist eine rein schuldrechtliche Vereinbarung zur friedlichen Lösung erbrechtlicher Ungewissheiten. 

Es kann sich um die Auslegung des Erblasserwillens oder auch um ein gegenseitiges Nachgeben im Sinne eines Vergleichsvertrages handeln. Die Parteien können sich auch verpflichten, bestimmte Rechtsfolgen erst noch herbeizuführen. 

Wenn der Auslegungsvertrag vorsieht, Erbteile zu übertragen oder ein Erbschaftskauf oder Erbverzicht vorsieht, bedarf er der notariellen Beurkundung. 

Gerichte nicht an Auslegungsvertrag gebunden

Die "Schwäche" des Auslegungsvertrages ist, dass er rein schuldrechtliche Wirkungen hat, d. h. die Erfolge oder einzelne Anordnungen des Testaments werden nicht rechtsverbindlich geregelt. Demzufolge ist ein ordentliches Gericht oder das Nachlassgericht nicht an den Auslegungsvertrag gebunden. Aufgrund der Parteienherrschaft des Zivilprozesses sind jedoch oftmals gleichwohl vernünftige Ergebnisse zu erzielen. 

Im Grundbuchverfahren bleibt bei privatschriftlichen Testamenten die Beantragung eines Erbscheins notwendig; wenn die entsprechenden Bewilligungen in einem Auslegungsvertrag vorliegen, vollzieht das Grundbuchamt auch vom Erbschein abweichende Verfügungen. 

Steuerrechtliche Vorteile bei Umsetzung des Erblassewillen

Erbrechtliche Auslegungsverträge haben erbschaftssteuerliche Folgen, wenn sie den Erblasserwillen umsetzen. Der Bundesfinanzhof berücksichtigt den Auslegungsvertrag erbschaftssteuerlich sogar dann, wenn der Erblasser ein formunwirksames Testament errichtet hatte, sich die Vertragsbeteiligten aber über dessen Wirksamkeit einig sind. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Beteiligten nur ihre eigenen Wünsche umsetzen und den Erblasserwillen ignorieren. 

Der Auslegungsvertrag ist ein geeignetes und kostengünstiges Mittel zur Streit- und Prozessvermeidung. Er setzt jedoch voraus, dass die Anbahnung und der Abschluss fachkundig begleitet werden, ansonsten besteht die Gefahr, ein bestehendes erbrechtliches Problem noch zu vergrößern. 

Hermann Roling

Rechtsanwalt und Notar a. D.
Fachanwalt für Erbrecht
Testamentsvollstrecker (DVEV zertifiziert)

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