Zulässigkeit von Dashcam-Aufnahmen zur Verfolgung von schwerwiegenden Verkehrsordnungswidrigkeiten

Der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichtes Stuttgart hat in einem Beschluss vom 18.05.2016 es für grundsätzlich zulässig erachtet, in einem Bußgeldverfahren ein Video zu verwerten, das ein anderer Verkehrsteilnehmer mit einer "Dashcam" aufgenommen hat. Dies gelte jedenfalls für die Verfolgung schwerwiegender Ordnungswidrigkeiten, wie z. B. eines Rotlichtverstoßes an einer mindestens seit 6 Sekunden rot zeigenden Ampel. 

"Dashcams" werden verstärkt von Verkehrsteilnehmern eingesetzt. Es handelt sich dabei um eine kleine Videokamera auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe, die während der gesamten Fahrt aufzeichnet.

Amtsgericht Reutlingen erkennt Dashcam-Aufnahme als Beweismittel an

Das Amtsgericht Reutlingen hatte einen Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit (Rotlichtverstoß) zu einer Geldbuße von 200,00 EUR und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. Das Amtsgericht konnte einen Tatnachweis allein deshalb führen, weil ein anderer Verkehrsteilnehmer dies anlasslos mit einer "Dashcam" aufgenommen hatte.

Dies Urteil hat das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigt und die Rechtsbeschwerde des Betroffenen verworfen. Hierbei hat der Senat für Bußgeldsachen es offengelassen, ob bzw. unter welchen Umständen die Nutzung einer "Dashcam" durch einen Verkehrsteilnehmer gegen § 6 b BDSG verstößt, denn jedenfalls enthalte § 6 b Abs. 3 Satz 2 BDSG kein Beweisverwertungsverbot für das Straf- und Bußgeldverfahren. 

Somit folge nach Auffassung des Oberlandesgerichtes Stuttgart aus einem möglichen Verstoß gegen diese Vorschrift nicht zwingend eine Unverwertbarkeit der Videoaufnahme. Über die Verwertbarkeit sei vielmehr im Einzelfall unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden.

Aufnahmen verletzen nicht Privatsphäre

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat insbesondere die Annahme des Amtsgerichtes Reutlingen bestätigt, dass im vorliegenden Fall kein Beweisverwertungsverbot anzunehmen sei. Zwar würden Videoaufnahmen von Verkehrsvorgängen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreifen, die Intensität und Reichweite des Eingriffs sei jedoch im konkreten Fall gering. 

Insbesondere betreffend ein Video, das lediglich Verkehrsvorgänge dokumentiere und mittelbar die Identifizierung des Betroffenen über das Kennzeichen seines Fahrzeuges ermögliche, nicht den Kernbereich seiner privaten Lebensgestaltung oder seine engere Privat- oder gar Intimsphäre. Im Rahmen dieser Abwägung seien zudem die hohe Bedeutung der Verfolgung schwerer Verkehrsverstöße für die Sicherheit des Straßenverkehrs und das Gewicht des Verstoßes im Einzelfall zu berücksichtigen.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat insbesondere hervorgehoben, dass die Bußgeldbehörden bereits bei der Verfahrenseinleitung die Verwertbarkeit derartiger Aufnahmen zu prüfen hätten und unter anderem die Schwere des Eingriffs gegen die Bedeutung und das Gewicht der angezeigten Ordnungswidrigkeit abzuwägen hätten. Aufgrund des im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Opportunitätsgrundsatzes stehe es den Bußgeldbehörden frei, ein ausschließlich auf der Ermittlungstätigkeit von Privaten mittels "Dashcam" beruhendes Verfahren nicht weiter zu verfolgen.

Die Rechtsfragen, die sich beim Einsatz von "Dashcams" stellen, sind seit einiger Zeit in der Rechtsprechung und Literatur stark umstritten. Eine einheitliche Linie der Rechtsprechung gibt es bisher nicht. Es handelt sich um die erste obergerichtliche Entscheidung zu dieser Fragestellung und gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Stuttgart ist kein weiteres Rechtsmittel mehr zulässig. Insoweit bleibt hier die Weiterentwicklung der Rechtsprechung abzuwarten.

Ralf Wöstmann

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht 

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