Verbindliche Zusicherung schlägt Altunternehmerprivileg - Anmerkung zum Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 15.04.2015

Die Genehmigungsbehörde hatte eine Entscheidung zwischen dem eigenwirtschaftlichen Antrag der Klägerin und einem Antrag der Beigeladenen zu treffen. 

Beide Anträge waren von der Genehmigungsbehörde als im Wesentlichen gleichwertig angesehen worden, die Beigeladene war allerdings Altunternehmerin. Im Ergebnis gab die Genehmigungsbehörde daher deren den Vorzug. Während das Verwaltungsgericht Trier dieses Vorgehen noch guthieß, hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Rheinland-Pfalz die Entscheidung auf unsere Berufung hin aufgehoben und die Genehmigungsbehörde verpflichtet, der Klägerin eine eigenwirtschaftliche Genehmigung mit einer Laufzeit bis 2024 zu erteilen. 

Entscheidend wirkten sich hierbei die verbindlichen Zusicherungen der Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 a PBefG aus, zu denen Roling & Partner bereits im Antragsverfahren geraten hatten, die aber – insbesondere die Mindestauslastungsklausel – von der Genehmigungsbehörde zunächst kritisch gesehen und daher nicht oder sogar negativ "gewertet" wurden. 

Oberverwaltungsgericht stärkt Bedeutung verbindlicher Zusicherungen

Das Oberverwaltungsgericht stärkte hingegen die Bedeutung von verbindlichen Zusicherungen: Aufgrund verbindlicher Zusicherungen entstehe eine rechtliche Bindung, welche den Antrag "besser" i.S.d. § 13 Abs. 2 b PBefG mache, als einen Antrag ohne entsprechende Zusicherung. Dies sei allerdings kein Automatismus, der stets durchschlage; vielmehr hänge die Beantwortung der Frage nach dem besten Angebot bei Abgabe verbindlicher Zusicherungen von der Bedeutung des zugesicherten Standards ab. Der Zusicherung von Bagatellen komme keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Gleiches gelte in den Fällen, in welchen lediglich eine gesetzliche Pflicht quasi "zusätzlich" verbindlich zugesichert werde. 

Das OVG hielt auch fest, dass von einem Altunternehmer in engen Grenzen erwartet werden dürfe, dass auch er derartige "Selbstverständlichkeiten" weiterhin erbringe, selbst wenn er dies nicht i.S.d.
§ 12 Abs. 1a PBefG verbindlich zugesichert habe. Im Rahmen der Auswahlentscheidung komme dann einer diesbezüglichen verbindlichen Zusicherung des Newcomers jedenfalls kein ausschlaggebendes Gewicht zu. 

OVG bewertet verbindliche Zusicherungen gesondert

Im Ergebnis bewertet das Oberverwaltungsgericht jede durch die Klägerin abgegebene verbindliche Zusicherung gesondert hinsichtlich Inhalt und Bedeutung. Als wertvoll erachtete das Oberverwaltungsgericht insbesondere die Zusicherung einer Mindest- und Maximalauslastungsklausel. Diesbezüglich war es vor dem Verwaltungsgericht Trier und auch dem Verwaltungsgericht Koblenz bereits mehrfach zu von hier aus betriebenen Verfahren gekommen, da die Genehmigungsbehörde eine derartige Klausel als auslösende Bedingung einer (Teil)Betriebspflichtentbindung und damit als Gefahr für das Verkehrsangebot betrachtet hatte; das OVG schloss sich nunmehr der hiesigen Meinung an, dass der Antragsteller mit derartigen Zusicherungen letztendlich eine Art Bestandsschutz hinsichtlich des Fahrplanumfangs gewährt, was Genehmigungsbehörde, Aufgabenträger und nicht zuletzt Fahrgast zu Gute kommt und daher definitiv positiv zu werten ist. 

Das Oberverwaltungsgericht nimmt auch recht umfangreich Stellung zu Fragen des Altunternehmerprivilegs gemäß § 13 Abs. 3 PBefG: 

Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit Urteil vom 12.12.2013 (Az. 3 C 30.12) zuletzt festgehalten, dass das Altunternehmerprivileg nicht nur dann den Ausschlag geben soll, wenn gleichwertige Angebote vorliegen, sondern nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls der Altunternehmer auch einen "gewissen Rückstand" seines Angebots gegenüber dem konkurrierenden Anbieter ausgleichen kann. 

Zusicherung der Klägerin übertreffen Angebot der Altunternehmerin

Streitig war, ob die Beigeladene im Verhältnis zur Klägerin tatsächlich als Altunternehmerin anzusehen ist, da die Klägerin als Subunternehmerin auf der Linie ebenfalls jahrelang Leistungen zuverlässig und beanstandungsfrei erbracht, und auch Investitionen getätigt hatte. 

Das OVG urteilte, dass die Beigeladene sich auf das Altunternehmerprivileg jedenfalls deshalb berufen kann, weil sie zumindest auch mit vier der insgesamt 14 auf der Linie eingesetzten Bussen selbst tätig gewesen sei. Das Altunternehmerprivileg könne die Beigeladene der Klägerin auch entgegenhalten, da die Klägerin weder Unternehmerin noch Betriebsführerin sei, sondern eben gerade "lediglich" Subunternehmerin. An dieser Stelle offenbart sich ein angesichts der jüngst erfolgten Stärkung des Altunternehmerprivilegs ein gravierender Nachteil für bloße Subunternehmer.

Letztlich übertrafen nach Meinung des OVG jedoch die verbindlichen Zusicherungen der Klägerin das Angebot der Beigeladenen so weit, dass es sich nicht mehr lediglich um einen "gewissen Rückstand" handelt. 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, aufgrund der besonderen Bedeutung der zugrunde liegenden Rechtsfragen hat das OVG die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. 

Verkehrsunternehmern ist dringend zu empfehlen, sich im Rahmen der eigenwirtschaftlichen Antragstellung vertieft Gedanken zu machen, ob und welche Angebotsbestandteile sie gemäß § 12 Abs. 1 a PBefG verbindlich zusichern wollen. Das vorliegende Verfahren hat deutlich gemacht, dass so selbst in Fallgestaltungen, wo gleichwertige Fahrplanangebote vorliegen und das Altunternehmerprivileg eigentlich den Ausschlag geben müsste, letzteres von einem innovativen Neubewerber überwunden werden kann. 

Das Urteil steht Ihnen hier als Download zur Verfügung: Urteil OVG Rheinland-Pfalz (Az. 7 A 10718/14.OVG) 

Für Fragen im Bereich des ÖPNV wenden Sie sich gerne an 

Dr. jur. Sebastian Roling, LL.M. (Public Law) 

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