Medizinrecht - Abgrenzung von durchgangsärztlicher und nicht durchgansärztlicher Heilbehandlung

In der arzthaftungsrechtlichen Praxis stellt sich immer wieder die Frage, wer der richtige Anspruchsgegner für Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche ist, wenn es bei einer durchgangsärztlichen Behandlung (also insbesondere bei einer ärztlichen Behandlung infolge eines Arbeitsunfalles) zu einem Diagnose- oder Befunderhebungsfehler des D-Arztes kommt.

Rechtliche Beurteilung bisher strittig

Wie ein Diagnose- oder Befunderhebungsfehler eines D-Arztes im Rahmen einer Eingangsuntersuchung rechtlich zu beurteilen ist, war bislang immer strittig. Die Beantwortung dieser Frage ist deshalb von Bedeutung, weil sie darüber entscheidet, wem gegenüber Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüche infolge eines Diagnose- oder Befunderhebungsfehlers des D-Arztes geltend zu machen sind, nämlich gegenüber dem D-Arzt selbst oder dem Unfallversicherungsträger. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, der D-Arzt hafte für Fehler bei der Untersuchung zur Diagnosestellung und bei der Diagnosestellung stets persönlich. Demgegenüber wurde andererseits die Auffassung vertreten, hinsichtlich eines Fehlers bei der durchgangsärztlichen Eingangsuntersuchung zur Diagnosestellung sowie der Diagnosestellung selbst habe die Berufsgenossenschaft für den Schadenersatz- und Schmerzensgeldanspruch des Patienten einzustehen.

Abgrenzung von wesentlicher Bedeutung

Das ist auch deshalb von Bedeutung, weil es sich bei einer Haftung der Berufsgenossenschaft für Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche dann um einen Amtshaftungsanspruch im Sinne von Art. 34 S. 1 GG, § 839 BGB handelt mit der Folge, dass -wie bei einer Staatshaftung- eine Geltendmachung von Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüchen des Patienten gegenüber dem behandelnden D-Arzt -wie bei Beamten- rechtlich ausgeschlossen ist.

BGH entscheidet Meinungsstreit

Der BGH hat sich in zwei Entscheidungen vom November und Dezember 2016 (BGH vom 29.11.2016 - VI ZR 208/15 sowie BGH vom 20.12.2016 - VI ZR 395/15) nunmehr der letztgenannten Auffassung angeschlossen. Wegen des regelmäßig gegebenen inneren Zusammenhangs mit der Diagnosestellung und der sich vorbereitenden Maßnahmen mit der Entscheidung über die richtige Heilbehandlung, sind nach Auffassung des BGH entsprechende Maßnahmen der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des D-Arztes zuzuordnen mit der Folge, dass der Unfallversicherungsträger, also regelmäßig die Berufsgenossenschaften für etwaige Fehler des D-Arztes in diesem Bereich haftet und damit nicht der D-Arzt selbst. Dies gelte -so der BGH weiter- insbesondere für den Bereich der Erstversorgung durch den D-Arzt, welcher der Ausübung eines öffentlichen Amtes zuzurechnen sei. Die Betrachtung der von dem D-Arzt zu treffenden Maßnahmen als einheitlicher Lebensvorgang solle die bestehenden Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Passivlegitimation vermeiden.

Verjährung der Ansprüche droht

Wie wichtig diese BGH-Entscheidungen gerade für die Praxis sind, zeigt sich insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen Verjährung von Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüchen. Denn die Inanspruchnahme des falschen Anspruchsgegners, hier dann also des D-Arztes anstelle des Unfallversicherungsträgers, führt zu keinerlei Hemmung der Verjährungsfrist. Wenn der Irrtum der falschen Passivlegitimation daher zu spät bemerkt wird können die Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche unwiederbringlich verjährt sein.

Ihr Ansprechpartner bei Fragen rund um das Medizinrecht, insbesondere das Arzthaftungsrecht:

Dr. jur. Michael Carstens

Rechtsanwalt und Notar
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