Arbeitsrecht: Der Mindestlohn, Neues und Wissenswertes

Die Bundesregierung hat im Oktober die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes von derzeit 8,50 EUR auf demnächst 8,84 EUR ab dem 01. Januar 2017 beschlossen. Damit setzt die Bundesregierung eine Entscheidung der sogenannten Mindestlohnkommission um, die eine entsprechende Erhöhung bereits im Juni des Jahres beschlossen hat. 

Nach Einführung des Mindestlohnes zum 01. Januar 2015 kommt es somit nach zwei Jahren zu einer ersten Anhebung, die nach Schätzungen von Gewerkschaften rund 4 Millionen Geringverdienern zu Gute kommen soll. Vertretern der Gewerkschaft ist die Erhöhung zu gering ausgefallen, der Wirtschaft ist in Teilen der Mindestlohn als Solcher ein Ärgernis, in weiten Teilen aber vor allem Regelungen zur Dokumentationspflicht sowie zur möglichen Haftung für fremde Verstöße, beispielsweise von Subunternehmern. 

Mindestlohn: Wichtigste Regelungen zusammengefasst

Dies gibt Anlass, die wichtigsten Regelungen kurz und zusammenfassend nochmals darzustellen, wegen der erheblichen Bedeutung des Mindestlohnes für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: 

  1. Mit der Einführung des Mindestlohnes zum 01. Januar 2015 endete eine jahrelange Diskussion um entsprechende Forderungen, insbesondere von Gewerkschaftsseite. Im Übrigen gilt in der großen Mehrheit aller EU-Mitgliedsstaaten bereits ein gesetzlicher Mindestlohn. Ausgenommen sind von den Nachbarländern Deutschlands lediglich Dänemark und Österreich, im Weiteren noch Finnland, Italien, Schweden und Zypern. In vielen dieser Länder gibt es allerdings tarifliche Regelungen, die nach dortiger Einschätzung ein ausreichendes Tariflohnniveau gewährleisten. 
  2. Der Mindestlohn gilt grundsätzlich für alle Arbeitsverhältnisse, auch für Rentner und geringfügig Beschäftigte. Rechtliche Meinungsverschiedenheiten gibt es häufig im Zusammenhang mit der Ableistung von Praktika, hier wird insbesondere zum einen nach der Dauer des Praktikums differenziert, aber auch danach, ob es sich um ein sogenanntes Pflichtpraktikum handelt, das im Rahmen eines Ausbildungsganges oder eines Studium zwingend geleistet werden muss, oder ein freiwilliges Praktikum. Jedenfalls im letztgenannten Fall sollen die Regelungen zum Mindestlohn gelten, jedenfalls bei Praktika von mehr als 3 monatiger Dauer. Der Mindestlohn gilt nicht für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ohne Berufsabschluss sowie Auszubildende, siehe zum letzten Punkt § 22 Abs. 3 Mindestlohngesetz.

Branchenunabhängiger Mindestlohn-Anspruch ab Januar 2018


Weitere Ausnahmen gelten ggf. für Langzeitarbeitslose, die in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden sollen, beschränkt auf die Dauer der ersten sechs Monate der Beschäftigung. Eine wichtige, branchenbezogene Ausnahme gilt für Zeitungszusteller, für die das Mindestentgelt von 8,50 EUR schrittweise eingeführt worden ist, mit uneingeschränkter Geltung erst ab dem Jahr 2017. 

Es gibt derzeit noch weitere Ausnahmen durch allgemeinverbindliche Tarifverträge, hier galt und gilt eine Übergangsregelung im Mindestlohngesetz, wonach für den Fall eines repräsentativen und allgemeinverbindlichen Tarifvertrages, der für alle Arbeitgeber und Beschäftigte in der Branche gelte, Ausnahmen zeitlich befristet zugelassen waren. Dies betraf insbesondere die Fleischwirtschaft sowie die Land- und Forstwirtschaft sowie die ostdeutsche Textil- und Bekleidungsindustrie sowie Großwäschereien. Spätestens zum Ablauf des 31. Dezember 2017 entfallen derartige Ausnahmen, ab dem 01. Januar 2018 hat jeder Beschäftigte branchenunabhängig Anspruch auf den erhöhten gesetzlichen Mindestlohn, der mit Wirkung ab dem 01. Januar 2017, 8,84 EUR beträgt.

  1. Mindestlohn im Sinne des Gesetzes bedeutet, dass dem Arbeitnehmer tatsächlich für jede geleistete Arbeitsstunde pro Monat der hierfür zustehende Mindestlohn gezahlt werden muss, dies hat erheblichen Einfluss auf Modelle variabler Vergütungszahlung. Schwankt die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers, so wäre dem Grundsatz nach in einem Monat mit 200 Arbeitsstunden jede einzelne Arbeitsstunde mit mindestens 8,50 EUR abzurechnen, Ausnahmen ermöglicht § 2 Abs. 2 MiLoG, wonach eine geleistete Arbeitsstunde ausnahmsweise nicht zum Fälligkeitstermin vergütet werden muss, wenn ein verstetigtes Arbeitsentgelt gezahlt wird und eine schriftliche Vereinbarung zur Führung eines Arbeitszeitkontos vorliegt.

    Wegezeit in der Regel keine Arbeitszeit

Bereitschaftsdienstzeiten sind dann mit dem Mindestlohn zu vergüten, wenn es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit handelt. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes differenziert zwischen verschiedenen Formen der Heranziehung oder möglichen Heranziehung zur Arbeitsleistung, bei echter Bereitschaftszeit handelt es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Wegezeit ist dagegen im Regelfall keine Arbeitszeit und entsprechend nicht mit dem Mindestlohn zu vergüten. Dies kann bei Arbeitnehmern, die keinen festen Beschäftigungsort haben, sondern von zu Hause aus den ersten Tätigkeitsort, beispielsweise als Reisender, anfahren, anders sein, in diesem Fall würde nach herrschender Meinung auch die Anfahrt zum ersten Termin als dem Mindestlohn unterfallende Arbeitszeit zu betrachten sein.

Sonderzahlungen, wie beispielsweise ein Weihnachtsgeld, eine Tantieme, etc. sind auf den Mindestlohn nur dann anrechenbar, wenn der Betrag anteilig und regelmäßig, also bei einer Jahresprämie monatlich zu jeweils 1/12, ausgezahlt wird, der Anspruch auf die Sonderzahlung darf zudem nicht von Bedingungen abhängen oder widerruflich sein. Des Weiteren sind Vermögenswirksame Leistungen und Aufwandsentschädigungen nicht im Rahmen des Mindestlohnes berücksichtigungsfähig.

Auch die Überlassung eines Firmenwagens, der auch privat genutzt werden kann, soll nach jedenfalls herrschender Auffassung den Anspruch auf Zahlung des Mindestlohnes nicht teilweise erfüllen können, auch wenn in der Überlassung zur auch privaten Nutzung ein geldwerter Vorteil zu sehen ist. Der gesetzliche Mindestlohn wird als Geldbetrag geschuldet, daher erfüllt die Überlassung eines Firmenwagens den Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns nicht.

  1. Die Einführung des Mindestlohns ist für den Arbeitgeber mit weitreichenden Aufzeichnungspflichten und Aufbewahrungspflichten verbunden, § 17 MiLoG. Die Verpflichtung zur Dokumentation gilt branchenunabhängig. Durch Verordnung des zuständigen Ministeriums wurden Ausnahmen geschaffen, die zumindest einige Erleichterungen schaffen. 

Danach bedarf es keiner Dokumentation bei einem verstetigten Monatsentgelt von mehr als 2.958,00 EUR brutto monatlich, bzw. auch bei einer Überschreitung von monatlich 2.000,00 EUR brutto, wenn diese 2.000,00 EUR durch den Arbeitgeber nachweislich für die letzten vollen 12 Monate gezahlt worden sind. Die Verordnung zur Dokumentationspflicht im Rahmen des Mindestlohns ist am 01. August 2015 in Kraft getreten und enthält weitere Ausnahmen, insbesondere für Angehörige und Organe juristischer Personen etc.. 

Erfassen der Arbeitszeit kann an Arbeitnehmer übertragen werden

Der Arbeitgeber muss im Rahmen seiner Dokumentationspflicht Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzeichnen, die konkrete Dauer und Lage der Pausen müssen dagegen nicht aufgezeichnet werden. Die Arbeitszeit muss spätestens bis zum Ablauf des siebten Tages nach dem Tage der Arbeitsleistung dokumentiert werden, also innerhalb einer Woche. Besondere Formvorschriften bestehen nicht. Der Arbeitgeber kann die Erfassung der Arbeitszeit dem Arbeitnehmer übertragen, auch für diesen Fall hat der Arbeitgeber allerdings zu überwachen, ob die Aufzeichnungen tatsächlich und richtig vorgenommen wurden. Diese Aufzeichnungen sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.

Eine wesentliche Erleichterung gilt für Arbeitnehmer, die keine Vorgaben zur täglichen Arbeitszeit haben und sich diese eigenverantwortlich einteilen können, wie beispielsweise Zeitungszusteller. Diese müssen lediglich die Dauer der täglichen Arbeitszeit erfassen.

  1. Die Überwachung der gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn ist Aufgabe der Zollverwaltung, die nach einem sogenannten risikoorientierten Prüfungsansatz kontrollieren. Branchen, die in der Vergangenheit häufiger mit Schwarzgeldvereinbarungen in Zusammenhang gebracht worden sind, wie beispielsweise im Bereich der Gastronomie, im Taxigewerbe, aber auch in Teilen des Handwerks, werden wohl eher mit verstärkten Kontrollen zu rechnen haben. Verstöße gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohnes können mit einer Geldbuße von bis zu 500.000,00 EUR sanktioniert werden. Daneben kann dem Betrieb der Ausschluss bei der Vergabe öffentlicher Aufträgen drohen.
  1. Eine häufig kritisierte Regelung des Mindestlohnes ist die sogenannte Auftraggeberhaftung gem. § 13 MiLoG. Danach kann ein Unternehmer für einen Mindestlohnverstoß eines von ihm beauftragten Unternehmers herangezogen werden. Dies gilt auch bei einem Mindestlohnverstoß des vom Subunternehmer wiederum beauftragten Subunternehmers. Der Unternehmer am Anfang der Leistungskette trägt damit ein finanzielles Risiko für die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen zur Zahlung des Mindestlohnes in einem Betrieb, mit dem er selber vertraglich nicht verbunden ist.

    Bürgenhaftung nach dem Veranlasserprinzip

Diese sogenannte Bürgenhaftung des Auftraggebers beruht auf dem Veranlasserprinzip, nach der Rechtsprechung wird einschränkend vorausgesetzt, dass ein Unternehmer eine eigene vertragliche Verpflichtung zur Erbringung von Werk- und Dienstleistungen hat und zur Erfüllung dieser Verpflichtung selber einen Unternehmer beauftragt. 

Klassischer Beispielsfall ist der Generalunternehmer, der zur Errichtung eines Hauses verpflichtet ist und zur Erfüllung seiner Verpflichtung hinsichtlich verschiedener Gewerke Subunternehmer beauftragt, beispielsweise einen Dachdecker mit der Errichtung des Daches. Beschäftigt der Dachdeckerbetrieb in diesem Fall gesetzeswidrig Arbeitnehmer, die den Mindestlohn nicht erhalten, dann haftet der "Veranlasser", also der Generalunternehmer, für die Erfüllung der Zahlungspflicht nach Mindestlohngesetz. Dies bedeutet, dass auch der beim (letzten) Subunternehmer beschäftigte Arbeitnehmer seine Vergütung, bzw. ggf. verbliebene Differenzen zum Mindestlohn vom Generalunternehmer einfordern kann. 

Der Generalunternehmer kann den Arbeitnehmer auch zunächst nicht auf einen Zahlungsprozess gegen den Subunternehmer verweisen, er haftet wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Zahlt der Generalunternehmer im obigen Beispielsfall, gehen die von ihm ausgeglichenen Forderungen kraft Gesetz auf ihn über, er kann dann beim Subunternehmer Rückgriff nehmen, trägt allerdings dessen Insolvenzrisiko.

Im Rahmen sogenannter Leistungsketten mit mehreren Subunternehmern sollen vertragliche Absprachen im Innenverhältnis zwischen Unternehmern wirksam sein, die allerdings keinen Einfluss auf Ansprüche beschäftigter Arbeitnehmer haben. Ausgeschlossen werden kann ggf. lediglich der Rückgriff, bzw. die Haftung im Innenverhältnis zwischen mehreren beteiligten Unternehmen.

  1. Angesichts der Komplexheit der Materie sowie der in vielen Punkten noch nicht vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung kann der obige Überblick nicht mehr als eine Einführung zum Thema sein, die der ersten Orientierung dienen soll.

Bei konkreten Fragen steht der Unterzeichner zur Verfügung.

 

 

Rechtsanwalt Christoph Schürmann

Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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