Im Befristungsrecht ist weiterhin Bewegung. Interessant war im Bereich des Rechtes der Befristung von Arbeitsverhältnissen zuletzt insbesondere die Frage, ob sogenannte Kettenbefristungen zulässig sind oder gegen insbesondere auch höherrangiges Recht der Europäischen Gemeinschaft verstoßen können.
Hierzu hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 26. Januar 2012 entschieden, dass es grundsätzlich mit Unionsrecht vereinbar ist, dass ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer wiederholt oder sogar dauerhaft befristete Verträge vereinbart, zur Vertretung anderer Arbeitnehmer, dies stehe der Annahme eines sachlichen Grundes im Sinne der Rahmenvereinbarung nicht entgegen. Auch folge aus der wiederholten Befristung eines Arbeitsverhältnisses zur Vertretung verschiedener Arbeitnehmer nicht das Vorliegen eines Missbrauches.
Auch Zahl und Dauer der aufeinander folgenden befristeten Verträge relevant
Einschränkend wies der Europäische Gerichtshof darauf hin, dass die nationalen Stellen/Gerichte bei Vorliegen eines sachlichen Grundes allerdings alle mit der Verlängerung verbundenen Umstände zu berücksichtigen haben, die einen Hinweis auf Missbrauch geben könnten. Bei dieser Prüfung seien auch Zahl und Dauer der aufeinander folgenden befristeten Verträge relevant.
Das Bundesarbeitsgericht hat nachfolgend in Anlehnung an die Vorgabe des Europäischen Gerichtshofes entschieden, dass das Vorliegen eines ständigen Vertretungsbedarfes der Annahme des Sachgrundes der Vertretung nicht entgegensteht, sondern an den früheren Grundsätzen der Sachgrundprüfung uneingeschränkt festgehalten werde. Danach bleibt die sogenannte Kettenbefristung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich möglich, auch wenn für den Arbeitgeber von vornherein absehbar ist, dass ein Vertretungsbedarf über das zunächst vereinbarte Befristungsende hinaus weiterhin bestehen wird, nämlich beispielsweise zu Vertretung anderer Arbeitnehmer, die sich beispielsweise in Elternzeit oder Sonderurlaub befinden.
Bundesarbeitsgericht zeigt Grenzen für Kettenbefristungen auf
Mit Urteil vom 18. Juli 2012, Aktz. 7 AZR 443/09, hat das Bundesarbeitsgericht allerdings dennoch deutlich gemacht, besonderen Auswüchsen einen Riegel vorschieben zu wollen. Mit der genannten Entscheidung hob das Bundesarbeitsgericht ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes Köln auf, mit dem dieses die Entfristungsklage einer Justizangestellten des Landes Nordrhein-Westfalen abgewiesen hatte.
Die dortige Klägerin war beim beklagten Land durchgängig von Juni 1996 bis Dezember 2007, also rund 11 ½ Jahre, im Geschäftsstellenbereich des Amtsgerichts Köln tätig gewesen, auf der Grundlage von insgesamt 13 nacheinander befristet abgeschlossenen Arbeitsverträgen. Diese befristete Beschäftigung diente nach den gerichtlichen Feststellungen praktisch durchgehend der Vertretung anderer Justizangestellter, die sich in Elternzeit oder Sonderurlaub befanden.
BAG: Land hat Möglichkeit der Vertretungsbefristung ausgenutzt
Die Klägerin hatte die Befristung des zuletzt im Dezember 2006 abgeschlossenen Vertrages angegriffen. Nach den gerichtlichen Feststellungen lag für diese Befristung zwar der Sachgrund der Vertretung vor. Das Bundesarbeitsgericht war aber, anders als das Landesarbeitsgericht, der Auffassung, dass bei zu einer Gesamtdauer von mehr als 11 Jahren und 13 Befristungen davon auszugehen sei, dass das beklagte Land die grundsätzlich eröffnete Möglichkeit der Vertretungsbefristung rechtsmissbräuchlich ausgenutzt habe. Eine derartige Feststellung ist sicherlich gerade für einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber eine schallende Ohrfeige.
Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings die Angelegenheit nicht entschieden, sondern an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, um dem Land noch Gelegenheit zu geben, Umstände vorzutragen, die die Annahme des an sich indizierten Rechtsmissbrauches zu widerlegen.
Die Entfristungsklage einer anderen Klägerin, die rund 7 ½ Jahre aufgrund von vier befristeten Arbeitsverträgen bei einem Unternehmen des Einzelhandels beschäftigt war, wurde dagegen abgewiesen. Die Gesamtdauer in diesem Verfahren von knapp 8 Jahren sowie die Anzahl von lediglich vier Befristungen gab dem Bundesarbeitsgericht keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauches.
Risiko für Rechtsmissbrauch steigt bei Befristungsdauer von mehr als zehn Jahre
Für die arbeitsrechtliche Praxis mag dies gewisse Orientierungspunkte geben, mit der gebotenen Vorsicht mag man davon ausgehen, dass jedenfalls bei einer Gesamtbefristungsdauer von mehr als 10 Jahren mit einer Vielzahl von Befristungen für den Arbeitgeber ein erhebliches Risiko besteht, dass die Befristung zuletzt doch als rechtsmissbräuchlich angesehen wird, wenn ein Arbeitnehmer die zuletzt vereinbarte Befristung angreift. Bei nur vergleichsweise wenig befristet abgeschlossenen Verträgen, mit einer Befristungsdauer von deutlich unter 10 Jahren, dürfte dagegen zunächst kaum Erfolgsaussicht für den Arbeitnehmer bestehen, sich auf den Rechtsmissbrauch des Befristungsrechtes berufen zu wollen.
Auf der jetzigen Grundlage könnte Arbeitgebern zu empfehlen sein, die Zahl der Befristungen möglichst knapp zu halten, durch Abschluss längerer Zeiträume. Betroffenen Arbeitnehmern, die langjährig lediglich befristet bei ein- und demselben Arbeitgeber beschäftigt werden, ist zu empfehlen, Beratung durch einen im Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Dies gilt natürlich insbesondere für den Fall, dass der Arbeitgeber nicht bereit ist, zum Ende der zuletzt vereinbarten Befristung nochmals ein Arbeitsverhältnis zu vereinbaren. Für die gerichtliche Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Befristung gilt die dreiwöchige Klagefrist des § 17 TzBfG.
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