Anknüpfend an frühere Veröffentlichungen zu dem Thema Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld gibt es einen weiteren interessanten Aspekt zu diesem Komplex. Seit Jahrzehnten wird um die Frage gestritten, ob ein Arbeitnehmer insbesondere Sonderzahlungen, die im Arbeitsvertrag oder in einem geltenden Tarifvertrag nicht vereinbart sind, die er aber dennoch erhalten hat, weiter beanspruchen kann, wenn der Arbeitgeber diese Zahlungen nicht mehr weiter gewährt.
Nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine wiederholte Zahlung beispielsweise eines Urlaubsgeldes und/oder Weihnachtsgeldes den Arbeitgeber verpflichten kann, derartige Zahlungen dauerhaft zu leisten, wenn der Arbeitgeber sich nicht ausdrücklich und für den Arbeitnehmer erkennbar vorbehält, die Zahlung künftig nicht erbringen zu müssen. Wird in drei aufeinanderfolgenden Jahren ein Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld in jeweils gleicher Höhe gezahlt, ohne dass der Arbeitgeber einen Vorbehalt in diesem Sinne macht, sich nicht für die Zukunft verpflichten zu wollen, dann ist ein entsprechender Anspruch auch auf künftige Zahlung auf Seiten der Arbeitnehmer entstanden.
Negative betriebliche Übung hat keine Auswirkungen mehr
Streitig war in der Vergangenheit insbesondere, ob der Arbeitgeber eine einmal entstandene betriebliche Übung wieder „zurückdrehen“ konnte. Bis vor etwa drei Jahren nahm das Bundesarbeitsgericht an, dass ein entstandener Anspruch durch eine gegenteilige betriebliche Übung wieder erlöschen kann, wenn nämlich der Arbeitgeber, nachdem er zunächst mehrere Jahre vorbehaltlos gezahlt hat, dann drei aufeinanderfolgende Jahre nichts zahlt und der Arbeitnehmer dies hinnimmt.
Ein derartiges Verhalten, auch bezeichnet als negative betriebliche Übung, hat allerdings spätestens seit den Urteilen des Bundesarbeitsgerichtes vom 18. März 2009 und 25.11.2009, zuletzt – 10 AZR 281/08 -, keine Auswirkungen mehr auf einen einmal entstandenen Anspruch aus betrieblicher Übung. Das Bundesarbeitsgericht hat im Jahre 2009 seine bis dahin gegenteilige Rechtsprechung aufgegeben und ausdrücklich festgehalten, es sei nicht mit dem Klauselverbot in § 308 Nr. 5 BGB für fingierte Erklärungen zu vereinbaren, dass eine dreimalige Nichtgeltendmachung einer Forderung eine Verpflichtung des Arbeitgebers beenden können soll.
Anspruch aus betrieblicher Übung kann nur durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien untergehen
Damit besteht für die Praxis Klarheit, hat also ein Arbeitgeber einmal einen Vertrauenstatbestand durch vorbehaltlose Zahlungen über mindestens drei Jahre geschaffen, dann kommt der Arbeitgeber von dieser betrieblichen Übung nicht wieder herunter, jedenfalls nicht ohne ausdrückliche Vereinbarung. Arbeitnehmer, die vermeintlich freiwillige Zahlungen über Jahre erhalten haben, sollten daher prüfen, ob derartige Zahlungen für spätere Jahre, in denen diese nicht geflossen sind, noch geltend gemacht werden können. Die Verjährungsfrist für derartige Ansprüche beträgt drei Jahre.
Arbeitgeber, die derartige Zahlungen ohne vertragliche oder tarifliche Grundlage geleistet haben, werden lediglich noch prüfen können, ob es Möglichkeiten gibt, durch Vereinbarung mit dem einzelnen Arbeitnehmer zu einer anderen Regelung zu kommen. Im Zweifelsfall sollten betroffene Arbeitnehmer, aber auch Arbeitgeber fachliche Hilfe von einem im Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in Anspruch nehmen.
Rechtsanwalt Christoph Schürmann
Fachanwalt für Arbeitsrecht