Bereits in seiner Entscheidung vom 27.10.2009 – B 1 KR 4/09 – hatte das Bundessozialgericht hervorgehoben, dass ein Heilmittelerbringer eine ärztliche Verordnung auf aus seiner professionellen Sicht erkennbare Fehler sowie auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen hat, weil auch seine Leistung durch die ärztliche Verordnung veranlasst wird. Diese Rechtsauffassung hat das Bundessozialgericht in einer aktuellen Entscheidung vom 13.09.2011 – B 1 KR 23/10 R – nochmals bekräftigt und dabei hervorgehoben, dass auch der Heilmittelerbringer seine Leistungen nur auf der Basis einer gültigen Heilmittelverordnung mit den für eine wirksame und wirtschaftliche Heilmitteltherapie notwendigen ärztlichen Angaben erbringen darf, was ihn daher zur Prüfung verpflichtet.
Konsequenzen gegen Verstoß der Prüfpflicht
Erstmals hat das Bundessozialgericht in dieser Entscheidung auch die Konsequenzen eines Verstoßes gegen die Prüfpflicht aufgezeigt. Die Überprüfung der ärztlichen Heilmittelverordnung auf Vollständigkeit und Plausibilität und ein entsprechendes positives Prüfungsergebnis ist Voraussetzung für den Vergütungsanspruch des Heilmittelerbringers. Das bedeutet, dass der Heilmittelerbringer seinen Vergütungsanspruch verliert, wenn er seine Leistungen auf der Grundlage einer fehlerhafte Heilmittelverordnung erbringt, deren Unzulässigkeit er im Rahmen der von ihm verlangten Vollständigkeits- und Plausibilitätsprüfung aus seiner professionellen Sicht hätte erkennen können!
Welche konkreten Prüfungen der Heilmittelerbringer dabei im Einzelnen vorzunehmen hat, hat das Bundessozialgericht leider nicht weiter konkretisiert. Indem es hier als Quellen lediglich auf Gesetz und Heilmittelrichtlinien sowie auf die zu § 125 SGB V ergangenen Rahmenempfehlungen und Rahmenverträge und dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB verwiesen hat, hat es einen nahezu unbeschränkten Spielraum für die zur Prüfung der Vergütungsansprüche der Heilmittelerbringer berechtigten Krankenkassen zur Begründung von Prüfungspflichten eröffnet.
Bundessozialgericht verlangt bei Unzulässigkeit der Heilmittelverordnung Kontakt zum Vertragsarzt
In der praktischen Umsetzung kann diese Entscheidung des Bundessozialgerichtes für die Heilmittelerbringer nur bedeuten, die Heilmittelverordnungen möglichst schon vor Leistungserbringung auf ihre Vollständigkeit und Plausibilität hin zu prüfen. Weil das Bundessozialgericht bei dieser Prüfpflicht ausdrücklich auf die professionelle Sicht des Heilmittelerbringers abstellt, wird sich der Maßstab dabei nicht nur auf die – ohnehin vorauszusetzende – besondere Fachkenntnis des Heilmittelerbringers in seinem Fachgebiet beschränken, sondern sicherlich auch hinreichende Kenntnis des Inhaltes der jeweils gültigen Heilmittelrichtlinien und des Heilmittelkatalogs verlangt werden.
Sollte sich hiernach eine Unzulässigkeit der Heilmittelverordnung herausstellen, sollte vor Leistungserbringung zunächst eine Kontaktaufnahme mit dem verordnenden Vertragsarzt erfolgen. Dies verlangt im Übrigen auch das Bundessozialgericht ausdrücklich von den Heilmittelerbringern. Besondere Sorgfalt sollte hier im Hinblick auf eine mögliche Überschreitung der Höchstmengengrenze in der Heilmittelverordnung entfaltet werden.
In dem der Entscheidung des Bundessozialgerichts zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die beklagte Krankenkasse die Leistungen des klagenden Physiotherapeuten noch bis zur Höhe der Gesamtverordnungsmenge erstattet und nur die Vergütung für die die Gesamtverordnungsmenge überschreitenden Leistungen verweigert. Aus der diesbezüglichen Anmerkung des Bundessozialgerichtes, vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner weiteren Erörterung, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine geltungserhaltende Reduktion einer unzulässigen Heilmittelverordnung durch den Heilmittelerbringer möglich sei, kann geschlossen werden, dass die Krankenkassen möglicherweise sogar berechtigt sind, auf der Grundlage einer unzulässigen Heilmittelverordnung erbrachte Heilmittelleistungen überhaupt nicht zu vergüten.
Der Anwendungsbereich dieser Entscheidung beschränkt sich selbstverständlich nicht nur auf Physiotherapeuten, sondern gilt vielmehr für alle zugelassenen Heilmittelerbringer im Sinne des SGB V.
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