Arbeitsrecht: Neues zur Sozialauswahl und Altersgruppen

Bei Massenentlassungen spielt regelmäßig die durchzuführende Sozialauswahl die zentrale Rolle bei der Vorbereitung der Kündigungen, ebenso in den nach Kündigung vor den Arbeitsgerichten geführten Rechtsstreiten. Wird ein Sozialplan mit Namensliste vereinbart, so wird es für einen klagenden Arbeitnehmer ungleich schwieriger, die Kündigung mit Erfolgsaussicht anzugreifen, da ein wirksamer Sozialplan mit fest verbundener Namensliste die Vermutung in sich trägt, dass dringende betriebliche Gründe zur Kündigung vorliegen. Auch ist es Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen und zu beweisen, zudem führt nur eine grobe Fehlerhaftigkeit der Vergleichsgruppenbildung und damit der Sozialauswahl zur Unwirksamkeit. 

Die Arbeitsgerichte haben sich in den vergangenen Jahren wiederholt mit der Durchführung der Sozialauswahl unter Einbezug der Bildung von Altersgruppen bereits befasst. Ansatzpunkt ist, dass nach den Kriterien für die Sozialauswahl ein höheres Lebensalter zu einer höheren sozialen Schutzwürdigkeit führt. Hiervon abweichend lässt die Rechtsprechung es zu, dass zur Vermeidung einer Überalterung der Personalstruktur eines Betriebes bei einer Massenentlassung Altersgruppen gebildet werden können, wenn diese Altersgruppen eine ausgewogene Altersstruktur der Belegschaft im Betrieb sichern. Das setzt voraus, dass die im konkreten Fall vorgenommene Altersgruppenbildung und die daraus abgeleiteten Kündigungsentscheidungen zur Sicherung der bestehenden Personalstruktur tatsächlich geeignet sind. 

Die Rechtsprechung hat sich in den vergangenen Jahren nach Einschätzung vieler Arbeitsrechtler hier eher großzügig gezeigt, auch dann, wenn die Bildung von Vergleichsgruppen erkennbar nicht zu einer Erhaltung, sondern sogar Verjüngung der verbleibenden Belegschaft geführt hat. 

Altersgruppenbildung fehlerhaft durchgeführt

Mit jetziger Entscheidung vom 26.03.2015,

                                                             2 AZR 478/13,

hat das Bundesarbeitsgericht allerdings festgestellt, dass die konkrete Auswahl einer klagenden Arbeitnehmerin grob fehlerhaft im Sinne von § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG war, weil die Beklagte die Altersgruppenbildung fehlerhaft durchführte. Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass bei überproportionaler Heranziehung einer Altersgruppe die bestehende Altersstruktur nicht gesichert, sondern verändert wird. Dies habe zur Folge, dass nicht nur die Kündigungen unwirksam sind, die unter Beibehaltung des Altersgruppensystems über den eigentlich auf die Altersgruppe entfallenden Anteil hinausgehen, sondern die gesamte Sozialauswahl nach Altersgruppen hinfällig sei und die Kündigung ohne das Privileg nach § 1 Abs. 5 an den gesetzlichen Kriterien der Sozialauswahl zu messen sei. Die Ergebniskontrolle würde sich damit auf die gesamte Vergleichsgruppe erstrecken. 

Weiter wies das Bundesarbeitsgericht darauf hin, dass die Schaffung einer ausgewogenen Altersstruktur alleine bei der notwendigen Sanierung eines insolventen Unternehmens nach § 125 Abs. 1 Satz 1 InsO ermöglicht werde, nicht aber außerhalb des Insolvenzrechtes. 

Verlieren gesetzliche Kriterien für die Sozialauswahl an Bedeutung?

Ausdrücklich hält das Bundesarbeitsgericht fest, es sei eine streng proportionale Beteiligung der Altersgruppen am Personalabbau zu fordern, damit dürfte das Bundesarbeitsgericht auf jahrelange Diskussionen um den Missbrauch derartiger Altersgruppenbildungen als Mittel einer "zielgerichteten Sozialauswahl" unter Umständen eingegangen sein. Denn es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass ein Arbeitgeber bei starker Differenzierung von Vergleichsgruppen, flankiert noch durch Altersgruppenbildung, eine Vergleichsgruppe so differenziert steuern kann, dass im Ergebnis die als leistungsstark eingeschätzten Arbeitnehmer im Betrieb verbleiben können, die gesetzlichen Kriterien für die Sozialauswahl verlören hierdurch in gewisser Weise an tatsächlicher Bedeutung. 

Die jetzige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes dürfte zumindest ein Signal sein, dass die Rechtsprechung Auswüchsen bei der Sozialauswahl und Vergleichsgruppenbildung vielleicht mit mehr Entschlossenheit begegnet als bisher. 

Bei Fragen zum Bereich des Arbeitsrechtes ist der Unterzeichner Ihr Ansprechpartner.

Rechtsanwalt Christoph Schürmann

Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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