Es ist in weiten Teilen der Bevölkerung bekannt, dass eigentlich angetretener Urlaub nicht verfällt, wenn ein Arbeitnehmer während des Urlaubs oder auch vor dem Urlaub erkrankt und arbeitsunfähig wird. Bei einer Krankschreibung, gegebenenfalls auch im Urlaub, ist der dann nicht arbeitsfähige Arbeitnehmer nach ständiger Rechtsprechung auch nicht in der Lage, seinen Urlaub tatsächlich zu nehmen.
Bei Krankheit verfällt Urlaub nicht!
Dieser Grundsatz ist weitgehend bekannt und führt nur selten noch zu Streitigkeiten im Arbeitsverhältnis oder vor den Arbeitsgerichten, allenfalls dann, wenn sich dem Arbeitgeber Zweifel an einer tatsächlichen Erkrankung des sich am Urlaubsort befindlichen Mitarbeiters aufdrängen.
Noch nicht höchstrichterlich entschieden und nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist dagegen die Frage, wie bei einer Verpflichtung eines im Urlaub befindlichen Arbeitnehmers, sich in Quarantäne zu begeben, mit dem dadurch zumindest entwerteten Urlaub umzugehen ist.
Urlaub trotz Quarantäne?
Erkrankt ein Arbeitnehmer nach einer Infektion mit dem Corona-Virus, ist er verpflichtet, sich in Quarantäne zu begeben. Dies kann auch gelten, wenn jemand lediglich engen Kontakt zu einer infizierten Person hatte und als Kontaktperson ersten Grades vom Gesundheitsamt ermittelt wird, auch dann besteht bekanntlich eine grundsätzliche Verpflichtung, sich in Quarantäne zu begeben. Eine Arbeitsunfähigkeit muss in beiden Fällen nicht zwingend gegeben sein, bei einer lediglich unter Infektionsverdacht stehenden Person bis zum Nachweis einer Infektion ohnehin nicht. Auch eine tatsächlich infizierte Person, die sich abhängig von der Entwicklung der bei ihr vorhandenen Viruslast in Quarantäne begeben muss, erkrankt nicht zwingend. Manche Menschen sind trotz Infektion bekanntlich symptomfrei, Andere haben lediglich sehr leichte oder leichte Symptome, die nicht oder jedenfalls nicht grundsätzlich zur ärztlichen Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit führen müssen.
Corona-Infektion und Quarantäne vs. Urlaub
Liegt bei einem arbeitenden Menschen eine Infektion vor und muss dieser Mitarbeiter sich daher in eine behördlich angeordnete Quarantäne begeben, so war bisher nicht entschieden, ob dies dazu führt, dass im selbigen Zeitraum gewährter Urlaub als nicht genommen gilt. § 9 BUrlG regelt, dass bei einer Erkrankung während eines gewährten Urlaubs die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeitstage auf den Jahresurlaub nicht angerechnet werden. Dieser sogenannte Nachgewährungsanspruch gilt unstreitig dann, wenn der Mitarbeiter eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen kann, die hinsichtlich des Zeitraumes gewährte Urlaubstage umfasst.
Urteil Arbeitsgericht Bonn vom 07.07.2021, 2 Ca 504/21
Das Arbeitsgericht Bonn hat, wie oben angegeben, mit einer aktuellen Entscheidung, die bisher nicht rechtskräftig ist, festgestellt, dass die bloße behördliche Anordnung einer Quarantäne, die in Urlaubszeit eines Mitarbeiters fällt, auch bei einer Infektion des Mitarbeiters mit dem Corona-Virus nicht genügt, um einen Anspruch auf Nachgewährung von Urlaubstagen im Sinne von § 9 BUrlG bejahen zu können. Nach Auffassung des Arbeitsgerichtes Bonn setzt ein Anspruch auf Nachgewährung von Urlaubstagen eine tatsächliche Erkrankung und dadurch kausal herbeigeführte Arbeitsunfähigkeit voraus, die ärztlich durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung festgestellt werden muss. Eine analoge Anwendung der Regelung des § 9 BUrlG auf Fälle einer behördlich angeordneten Quarantäne scheidet nach Auffassung des Arbeitsgerichtes Bonn aus. Es läge weder eine planwidrige Regelungslücke vor, noch ein mit einer Arbeitsunfähigkeit vergleichbarer Sachverhalt. Eine Infektion mit dem Corona-Virus führe nicht zwingend zu einer tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit.
Dahinter dürfte auch die Überlegung stehen, dass die behördliche Anordnung einer Quarantäne sehr viele Menschen betroffen hat, denen damit ein Opfer durch Einbuße an persönlicher Freiheit im Interesse der Allgemeinheit abverlangt wurde, ohne dass dafür grundsätzlich eine Kompensation für entstandene Einbußen bei der Lebensführung gewährt wurde.
Urlaubstage können trotz Corona-Quarantäne verfallen
Im vom Arbeitsgericht Bonn konkret entschiedenen Fall lag der Sachverhalt so, dass die dortige Klägerin/Arbeitnehmerin sich wegen behördlicher Quarantäne-Anordnung für knapp zwei Wochen in Quarantäne begeben musste und für diesen Zeitraum fünf Urlaubstrage bereits genommen hatte. Die Klägerin ließ sich keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen, es ist daher anzunehmen, dass die Klägerin keine oder lediglich leichte Symptome hatte. Die verlangte Nachgewährung von fünf Urlaubstagen stützte die Klägerin darauf, dass sie den Urlaub in der Zeit der Quarantäne nicht habe nehmen können, dies sei mit der Situation einer Arbeitsunfähigkeit wegen Erkrankung vergleichbar. Dies hat das Arbeitsgericht Bonn aus den oben dargestellten Gründen anders gesehen und entschieden, allerdings die ohnehin mögliche Einlegung des Rechtsmittels der Berufung gesondert wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zugelassen.
Arbeitgeber, die bei einer vergleichbaren Situation die Nachgewährung von Urlaubstagen ablehnen, können sich jedenfalls vorläufig auf die genannte Entscheidung stützen. Betroffene Arbeitnehmer müssen derzeit davon ausgehen, dass ohne ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Falle einer Quarantäne zugleich anstehender Urlaub als genommen gilt. Ob dies das „letzte Wort“ der Rechtsprechung bleibt, ist abzuwarten.