Arbeitsrecht: Verfallfristen und Bundesverfassungsgericht

Kommt es zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, so muss der Arbeitnehmer regelmäßig prüfen, ob er gehalten ist, während des Rechtsstreites möglicherweise fällig werdende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis noch geltend zu machen. 

Dabei geht es vor allem um die Ansprüche, die nach Ablauf der Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer noch zustehen können, wenn das Arbeitsgericht im Rahmen der Kündigungsschutzklage zu der Feststellung kommt, die Kündigung sei unwirksam. Denn in diesem Fall stehen dem Arbeitnehmer Ansprüche aus Annahmeverzug des Arbeitgebers grundsätzlich zu, sowohl die Zahlung der regelmäßigen Vergütung, wie auch alle sonstigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, Urlaub, Sonderzahlungen etc.. Der Arbeitnehmer muss sich lediglich das anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft verdient hat oder böswillig unterlassen hat, anderweitig zu verdienen.

Verfall- bzw. Ausschlussfristen

Gegenstand vieler Auseinandersetzungen sind dabei Regelungen in Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen, die gemeinhin als Verfallfristen oder Ausschlussfristen bezeichnet werden. Derartige Regelungen bestimmen, dass beiderseitige Ansprüche innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich und darüber hinaus manchmal auch noch in einer zweiten Stufe gerichtlich geltend zu machen sind, anderenfalls sollen die Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden können. Tarifliche Regelungen enthalten oft zweistufige Regelungen, bei einzelvertraglichen Regelungen ist von der Rechtsprechung seit längerer Zeit anerkannt, dass hier die Frist zur Geltendmachung mindestens drei Monate betragen muss. Kürzere einzelvertragliche Regelungen sind also unwirksam.

Das Bundesarbeitsgericht hat in jüngerer Zeit bereits wiederholt die oft sehr einschneidenden Folgen für Arbeitnehmer dadurch gemildert, dass dem Arbeitnehmer zugebilligt wird, mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage die erste Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist gewahrt werde. Allerdings hielt das Bundesarbeitsgericht, dort der 5. Senat, daran fest, dass bei einer tarifvertraglichen und zweistufigen Ausschlussfrist, die also für Ansprüche in der zweiten Stufe auch die gerichtliche Geltendmachung vorschreibt, dies dem Arbeitnehmer abverlangt, derartige Ansprüche eben auch tatsächlich gerichtlich geltend zu machen. Anderenfalls seien diese Ansprüche nicht mehr durchsetzbar.

BVerfG: Die klageweise Geltendmachung verletzt das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes 

Das Bundesverfassungsgericht hat nun allerdings mit Entscheidung vom 01. Dezember 2010 zum Aktz. 1 BvR 1682/07 einen entsprechenden Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes aus Mai 2007 (!), mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des Arbeitnehmers gegen ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes Köln zurückgewiesen worden ist, aufgehoben. Mit der Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass einem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden kann, alleine zur Wahrung möglicher Ansprüche Zahlungsansprüche, die erst von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses und damit der Entscheidung der Hauptsache abhängen, klageweise geltend zu machen. Denn dies, so das Bundesverfassungsgericht, führe für den Arbeitnehmer zu deutlich höheren Kosten und verletzte damit das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes. 

Diese Grundsätze komme dann nach dem Bundesverfassungsgericht zur Anwendung, wenn sich aus der Auslegung und Anwendung einer materiell rechtlich wirkenden Ausschlussfrist Rückwirkungen auf die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen ergeben. Denn das Landesarbeitsgericht hätte sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die vom Beschwerdeführer verlangte Art der Geltendmachung seiner Ansprüche möglich und zumutbar war. Vorliegend ist dies, so das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich, nicht der Fall. Vor dem Hintergrund des bei einer Klageerweiterung bestehenden Risikos hätte das Landesarbeitsgericht eine Obliegenheit zur Klageerhebung vor rechtskräftigem Abschlusses des Vorprozesses im Ergebnis nicht auferlegen dürfen.

Entscheidung des BVerfG dürfte zu einem Wechsel der Rechtsprechung führen 

Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes dürfte zu einem Wechsel der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes im Ergebnis führen, es dürfte nahe liegen, dass Arbeitsgerichte künftig für solche Ansprüche, die rechtlich vom Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses zunächst abhängen, die Erhebung der Kündigungsschutzklage insgesamt ausreichen lässt, also auch bei zweistufigen Ausschlussfristen, gleichgültig ob es sich um einzelvertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussfristen handelt.

Aus Gründen anwaltlicher Vorsicht dürfte es allerdings bis zu einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes angezeigt sein, derartige Zahlungsansprüche zumindest schriftlich geltend zu machen und ggf. mit der anderen Prozesspartei eine Verständigung darüber zu erzielen, dass eine gerichtliche Geltendmachung im Sinne einer Klageerweiterung nicht notwendig ist.

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