Arbeitsrecht: Wiedereinstellungsanspruch eines Rentners?

Das Bundesarbeitsgericht hat im April 2024 ein Urteil zur Wiedereinstellung eines Bewerbers gesprochen, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer tarifvertraglichen Altersgrenze beendet wurde, der sich dann allerdings nachfolgend bei der bisherigen Arbeitgeberin als Altersrentner bewarb und nach Ablehnung wegen seines Alters eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machte.

Altersdiskriminierung bei Altersrentnern?

Im Ausgangspunkt klar ist, dass nach dem AGG kein Arbeitnehmer unter anderem wegen seines Alters benachteiligt werden darf. Auch in Zeiten eines Fachkräftemangels und der Bereitschaft vieler Arbeitgeber, auch auf ältere und alte Arbeitnehmer zur Deckung des entsprechenden Bedarfes zurückzugreifen, entsteht gelegentlich Streit um die Frage, ob ein älterer Arbeitnehmer Anspruch auf Beschäftigung über die Regelaltersgrenze für den Bezug von Rentenleistungen hinaus hat, bzw. eine entsprechende Auswahlentscheidung des Arbeitgebers einfordern kann.

Wiedereinstellungsanspruch vs. tarifvertragliche Altersgrenze

Im konkreten Fall machte ein 1952 geborener Kläger, der als Lehrer insbesondere die Fächer Deutsch und Musik unterrichtete, drei Jahre nach Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung einen Anspruch auf Wiedereinstellung geltend. Der Kläger wurde Anfang 2018 nach langjähriger Tätigkeit als Lehrer in den Altersruhestand verabschiedet, wie der für sein Arbeitsverhältnis maßgebliche TV-L regelte. Dieser beinhaltet eine Regelung, wonach das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf des Monates endet, in dem ein Beschäftigter das gesetzlich festgelegte Alter zum Bezug von Regelaltersrente erreicht. Selbiger Tarifvertrag regelt, dass bei einer eventuellen Weiterbeschäftigung ein neuer schriftlicher Arbeitsvertrag abzuschließen ist, dieses Arbeitsverhältnis kann dann auf tarifvertraglicher Grundlage jederzeit mit einer Frist von vier Wochen zum Monatesende gekündigt werden, wenn im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart wird. Tatsächlich war der Kläger nach Verrentung wiederholt im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse als Lehrer für das beklagte Land tätig geworden.

Ende 2021 bewarb der Kläger sich auf eine ausgeschriebene Vertretungsstelle des selbigen beklagten Landes, mit einer Befristung für rund sechs Monate. Ein anderer Stellenbewerber für selbige Stelle ist 1981 geboren, der Kläger wurde am von der Schule selber durchgeführten Auswahlverfahren beteiligt und von der Schulleitung zur Einstellung vorgeschlagen. Die zuständige Aufsichtsbehörde äußerte Bedenken unter Verweis auf einen Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW, wonach die Einstellung eines Bewerbers nach Überschreitung der Regelaltersgrenze nur ausnahmsweise in Betracht käme, regelmäßig dann nicht, wenn andere Mitbewerber mit gleicher Qualifikation vorhanden wären. Die Stelle wurde mit dem Mitbewerber des Klägers nachfolgend besetzt. Der Kläger machte nachfolgend arbeitsgerichtlich geltend, er sei wegen seines Alters diskriminiert worden, nach seiner Vorstellung stünde ihm eine Entschädigung i.H.v. 30.000,00 EUR zu. Die Ablehnung seiner Bewerbung verstoße zudem auch gegen das Prinzip der Bestenauslese, da er mindestens in Bezug auf das Unterrichtsfach Deutsch besser als der Mitbewerber qualifiziert sei. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 3 Abs. 1 AGG, vgl. BAG vom 31.03.2022, Aktenzeichen 8 AZR 238/21

Das Bundesarbeitsgericht hat eine unmittelbare Benachteiligung zunächst tatbestandlich bejaht, die jedenfalls auch nicht nach § 10 Satz 3 AGG gerechtfertigt sei. Allerdings, so das Bundesarbeitsgericht, sei die unterschiedliche Behandlung des Klägers wegen seines Alters nach § 10 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 AGG zulässig. Das Bundesarbeitsgericht führt näher aus, dass es ein legitimes gesetzgeberisches Ziel sei, insofern auch den Tarifvertragsparteien zugänglich, eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen Altersgruppen zu fördern. Jüngeren Menschen soll mit dem Ausscheiden älterer Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ermöglicht werden, Berufserfahrung anzusammeln, dies sei Teil der Generationengerechtigkeit. Das legitime Ziel einer ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen und Altersgruppen kann demgemäß auch die Verweigerung der Wiedereinstellung eines aufgrund einer Altersgrenze bereits ausgeschiedenen Beschäftigten rechtfertigen. Wenn es bereits zulässig ist, Altersgrenzen zu vereinbaren, die das Arbeitsverhältnis eines älteren Arbeitnehmers beenden, sei es (umso mehr) auch zulässig, Regelungen zu schaffen, die die nachfolgende Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses an erschwerende Voraussetzungen knüpfen.

Keine generelle Höchstaltersgrenze nach Tarifvertrag

Das Bundesarbeitsgericht handelt mit dem Urteil 8 AZR 140/23 dann im Weiteren ab, dass die Kombination aus zunächst genereller Regelaltersgrenze und der Möglichkeit einer späteren weiteren Beschäftigung durch Abschluss neuer Arbeitsverträge unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe hätten, aber auch insgesamt nicht zu einer Altersdiskriminierung führen.

Auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers, der insbesondere auch auf seine finanzielle Situation und Notwendigkeit weiterer Arbeitstätigkeit verwies, kam es nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes nicht entscheidungserheblich an, ebenso wenig wie auf die Frage, ob der Kläger möglicherweise in allen oder einigen Bereichen besser qualifiziert sei, als der jüngere Mitbewerber.

Die genannte Entscheidung bekräftigt die generelle Wirksamkeit tarifvertraglicher, aber auch einzelvertraglicher Regelungen, die im Sinne einer auflösenden Bedingung das Arbeitsverhältnis beenden, wenn der Arbeitnehmer das Alter erreicht, in dem er regelmäßig ungekürzte Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen kann. Auch wenn, wie hier, die Möglichkeit einer nachfolgenden Beschäftigung grundsätzlich besteht, bewirkt eine derartige Regelung zumindest auf tarifvertraglicher Grundlage, dass ein derartiger Arbeitnehmer im Bewerbungsverfahren hinter jüngeren und ansonsten gleich qualifizierten Arbeitnehmern zurückstehen muss.

Rechtsanwalt Christoph Schürmann

Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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