Arzthaftung: Diagnoseirrtum oder Befunderhebungsfehler?

In einer Entscheidung vom 26.01.2016 – VI ZR 146/14 – musste der BGH sich erneut mit der gerade in Arzthaftungsprozessen immer wieder notwendigen Abgrenzung zwischen einem Diagnoseirrtum und einem Befunderhebungsfehler befassen. 

Diese Differenzierung ist deshalb so bedeutsam, weil nach gefestigter BGH-Rechtsprechung ein einfacher Diagnoseirrtum eines Arztes regelmäßig noch keinen Behandlungsfehler darstellt und somit auch nicht zu einer Haftung des Arztes führt. 

In der vorzitierten Entscheidung hat der BGH ausgeführt, dass einem Arzt kein Diagnoseirrtum, sondern ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen ist, wenn die unrichtige diagnostische Einstufung bei einer Erkrankung ihren Grund bereits darin hat, dass der Arzt die nach dem medizinischen Standard gebotenen Untersuchungen erst gar nicht veranlasst hat. 

Diagnoseirrtum setzt Erhebung medizinisch notwendiger Befunde voraus

Im Unterschied dazu liegt ein Diagnoseirrtum vor, wenn der Arzt erhobene oder sonst vorliegende Befunde falsch interpretiert und deshalb nicht die aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereiches gebotenen – therapeutischen oder diagnostischen – Maßnahmen ergreift. Ein Diagnoseirrtum setzt aber voraus, dass der Arzt die medizinisch notwendigen Befunde überhaupt erhoben hat, um sich eine ausreichende Basis für die Einordnung der Krankheitssymptome zu verschaffen. 

Hat dagegen die unrichtige diagnostische Einstufung einer Erkrankung ihren Grund bereits darin, dass der Arzt die nach dem medizinischen Standard gebotenen Untersuchungen erst gar nicht veranlasst – er mithin aufgrund unzureichender Untersuchungen vorschnell zu einer Diagnose gelangt, ohne diese durch die medizinisch gebotenen Befunderhebungen abzuklären – dann ist dem Arzt ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen. Denn bei einer solchen Sachlage geht es im Kern nicht um die Fehlinterpretation von Befunden, sondern um deren Nichterhebung. 

Diagnoseirrtum oder Befunderhebungsfehler: Abgrenzung oft prozessentscheidend

Gerade für den betroffenen Patienten ist diese Abgrenzung deshalb häufig von prozessentscheidender Bedeutung, weil auch die Annahme eines einfachen Befunderhebungsfehlers zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich dessen Kausalität für den eingetretenen Gesundheitsschaden führt, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde und dieser Fehler generell geeignet ist, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen. 

Eine solche Beweislastumkehr sieht das Gesetz ansonsten bei einfachen Behandlungsfehlern nicht vor.

Für Fragen im Bereich des Medizinrechtes steht Ihnen

Dr. jur. Michael Carstens

Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Familienrecht
Fachanwalt für Medizinrecht 

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