BAG: Krankheit und Kündigung

Der Europäische Gerichtshof hat im Januar 2009 entschieden, dass die jahrzehntelange Praxis in Deutschland, wonach Urlaub bei längerer Krankheit verfällt, wenn dieser im Übertragungszeitraum nicht genommen werden kann, europarechtswidrig ist. Diese viel beachtete und vom Bundesarbeitsgericht zwischenzeitlich auch übernommene Rechtssprechung führt in der Konsequenz dazu, dass Arbeitgeber, die im Personalbestand Mitarbeiter mit sehr häufigen oder sehr langen Krankheitszeiten haben, die Situation nun neu bewerten. Mitarbeiter, die über teilweise Jahre krank waren, wurden vom Arbeitgeber nicht gekündigt, weil der Arbeitgeber dachte, der Mitarbeiter koste ja ohnehin nichts. Dies stellt sich mit der Entscheidung des EUGH als Trugschluss heraus, sodass seit rund einem Jahr verstärkte Tendenzen zu beobachten sind, Beschäftigungsverhältnisse mit Langzeitkranken möglichst zu beenden.

BAG präzisiert Anforderungen an Arbeitgeber vor einer Kündigung

In diesem Kontext gewinnt dann auch wieder die Rechtssprechung des BAG zu den Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses an Bedeutung. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu im Dezember 2009 nochmals präzisiert, was ein Arbeitgeber vor einer Kündigung tun muss, um sich darauf berufen zu können, die Kündigung sei das einzig verbliebene Mittel gewesen.

Anknüpfungspunkt ist die Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX, einer Vorschrift aus dem Sozialgesetzbuch, das sich mit der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen befasst. Im Rahmen der in § 84 geregelten Prävention wird dem Arbeitgeber eines schwerbehinderten Arbeitnehmers vorgeschrieben, bei länger als 6 Wochen bestehender Krankheit eines Beschäftigten Maßnahmen unter Beteiligung des Arbeitnehmers einzuleiten, die der Erhaltung des Arbeitsplatzes dienen sollen. Dies wird als betriebliches Eingliederungs-Management (BEM) bezeichnet.

Arbeitgeber muss nachweisen, dass Kündigung verhältnismäßig war

Führt der Arbeitgeber ein derartiges BEM nicht ordnungsgemäß durch oder bietet er dies dem Arbeitnehmer nicht zumindest ordnungsgemäß an, so führt dies nach der Entscheidung des BAG aus Dezember 2009 dazu, dass der Arbeitgeber spätestens bei der Prüfung der Frage, ob die Kündigung tatsächlich das einzig verbliebene Mittel und damit verhältnismäßig war, große Schwierigkeiten bekommen wird. Das Bundes¬arbeitsgericht hat nämlich festgestellt, dass ein Arbeitgeber, der entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung entweder überhaupt kein oder kein ordnungsgemäßes BEM durchgeführt hat, im Einzelnen entgegen der sonstigen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast vorzutragen hat, aus welchen Gründen eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes sowie sonst die Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes ausscheidet.

Hat der Arbeitgeber dagegen ein ordnungsgemäßes BEM durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass es keine Möglichkeiten gibt, künftige Fehlzeiten des Arbeitnehmers entscheidend zu vermeiden, genügt der Arbeitgeber wiederum seiner Darlegungslast, wenn er darauf hinweist und behauptet, andere Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden nicht.

Für die Praxis bedeutet dies, dass vor der Kündigung eines Arbeitnehmers der Arbeitgeber gut beraten ist, der im Rahmen eines Rückkehrer- oder sonstigen Personalgespräches nach den Vorgaben der Rechtssprechung versucht, die Gründe der hohen oder häufigen Fehlzeiten mit dem Arbeitnehmer zu erörtern und abzustellen, soweit betriebliche Ursachen mitursächlich und beeinflussbar sind.

Bei weiteren Fragen zu diesem Thema sprechen Sie den Unterzeichner gerne an.

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