Corona – Einstweiliger Rechtsschutz - Fitnessstudio darf öffnen

Mit Beschluss vom 11.05.2020 hat das Verwaltungsgerichts Osnabrück vorläufig und bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache festgestellt, dass die aktuelle Niedersächsische Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 8. Mai 2020 dem Betrieb eines Indoor- und Outdoor-Fitnessstudios in einer kreisangehörigen Gemeinde im Landkreis Osnabrück unter Einhaltung des dortigen strengen Hygiene-, Abstands- und Höchstbelegungskonzeptes nicht entgegensteht.

Fitnessstudio darf wieder öffnen

Der Betreiber eines Fitnessstudios mit den Schwerpunkten Fitness, Rehasport und Physiotherapie hatte sich am 30. April 2020 mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht Osnabrück gewandt, um die Öffnung des Fitnessstudios zu erreichen.

Der Antrag richtete sich gegen das Land Niedersachsen, vertreten durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung.

Effektiver Rechtsschutz durch Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht

Streitpunkt war zunächst, dass die Antragsgegnerin von der Unzulässigkeit des Antrags ausging, weil es sich in der Sache um einen Normenkontrollantrag handeln müsse, für den das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zuständig sei. Auch hier könne im Wege eines Eilrechtsschutzes die Aussetzung der Verordnung bezogen auf den Betrieb des Antragstellers erreicht. In der Sache halte es die Schließung für gerechtfertigt, weil mit dem Betrieb des Fitnessstudios ein erhöhtes Infektionsrisiko einhergehe.

Zur Begründung des stattgebenden Beschlusses führte die dritte Kammer aus, auch außerhalb einer Normenkontrolle könne einstweiliger und effektiver Rechtsschutz bis zur Entscheidung der in der Hauptsache zu erhebenden Feststellungsklage gewährt werden. Auch die Rechtsetzung der Exekutive in der Form von Rechtsverordnungen und Satzungen ist Ausübung öffentlicher Gewalt und daher in die Rechtsschutzgarantie einzubeziehen.

Gleichheitssatz ist verletzt – Vergleich mit Friseur- und Gaststätten

Inhaltlich sieht die Kammer im Zeitpunkt ihrer Entscheidung in dem noch unbeschränkt geltenden Verbot der Öffnung von Fitnessstudios einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art 3 I GG.

Anders als dem parlamentarisch legitimierten Gesetzgeber stehe der kein gerichtlich nicht oder nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum zur Verfügung. Vielmehr sei die Verwaltung auch bei Verordnungen zur Bekämpfung der Corona Pandemie an die Grundrechte und an das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gebunden. Schränke der Verordnungsgeber die Grundrechte ein, so habe er dies ständig auf das Fortbestehen der Erforderlichkeit hin zu überprüfen. Hieraus folge, dass auch eine ursprünglich zulässige Maßnahme durch Zeitablauf und tatsächliche Entwicklungen rechtswidrig werden könne.

Da in Niedersachsen Friseur- und Gaststättenbesuche wieder zulässig seien, bei denen „denklogisch regelmäßig sogar der Mindestabstand unterschritten werden müsse, um Kunden bedienen zu können, sei ein sachlicher Grund, demgegenüber den Betrieb von Fitnessstudios ausnahmslos zu verbieten, nicht ersichtlich“. Mit dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht ging die Kammer insoweit ebenfalls davon aus, dass die sachliche Rechtfertigung eines Verbotstatbestandes im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen ist, sondern dass vielmehr auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen sind, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten

In NRW geht es doch auch …

Das Gericht vermochte auch kein spezifisches erhöhtes Infektionsrisiko durch den Betrieb von Fitnessstudios mit einem derartigen Hygienekonzept zu erkennen, zumal der Betrieb von Fitnessstudios etwa im unmittelbar angrenzenden Nordrhein-Westfalen grundsätzlich zulässig sei.

Der Beschluss (3 B 23/20) ist noch nicht rechtskräftig und kann binnen zwei Wochen nach Zustellung vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg angefochten werden.

Überraschende Entscheidung?

Inhaltlich ist – auch wenn das Ergebnis für den Antragsteller positiv war – der Beschluss an einigen Stellen überraschend. Wenn man den Weg, auch außerhalb eines Eilverfahrens gegen die Satzung vor dem OVG tätig zu werden, mitgeht, ist die Erwägung, dass die Verwaltung bei ihrer Entscheidung an Art. 3 GG gebunden sei zutreffend. Der gezogene Schluss, dies bei der Anwendung einer Verordnung „ständig auf das Fortbestehen der Erforderlichkeit zu prüfen“, überrascht allerdings. Denn die Verwaltung müsste, sofern Sie eine Ungleichbehandlung erkennt, von der Anwendung der Verordnung nicht nur zunächst absehen sondern auch im Verordnungswege reagieren. Auch wenn der Verordnungsgeber, der Exekutive ist, nicht mit einem demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgeber vergleichbar sein soll, er also höheren Anforderungen im Sinne des Art. 80 GG unterliegt, ist das vom Verwaltungsgericht entworfene Modell eines „verordnungsrechtlichen Regelkreises“ eine ungewöhnliche Sichtweise. Damit wird der Verwaltung nämlich aufgegeben, den ihr üblicherweise zustehenden Regelungsspielraum an kurzfristige Änderungen anzupassen. Das was heute notwendig schien, wäre danach morgen bereits obsolet. Eine – auch angesichts Corona – hohe Anforderung.

Die Entscheidung finden Sie hier. Informationen zum Rechtsschutz in Zeiten von Corona erhalten Sie gerne bei:

Jan Kuhlmann

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Erster Beigeordneter a.D.

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