Jeder Erbrechtler kennt die Situation, dass Mandanten zu ihm kommen und behaupten, es sei eine Vermögensübertragung auf ein Geschwister erfolgt und diese sei unwirksam, weil der Übergeber wegen Demenz/Alzheimer geschäftsunfähig sei oder gewesen sei.
Wenn der betreffende Elternteil schon verstorben ist, kann eine Feststellungsklage dahingehend erhoben werden, dass die betreffende Vermögensübertragung unwirksam ist. Dann muss durch Sachverständigengutachten retrospektiv anhand der vorliegenden Krankenunterlagen versucht werden, im Nachhinein die Geschäftsfähigkeit zu klären – ein schwieriges Unterfangen.
Noch schwieriger war die Situation bei einem noch lebenden Erblasser. Nach der Rechtsprechung der Obergerichte und des Bundesgerichtshofs gibt es kein Feststellungsinteresse einen noch lebenden Erblasser mit einer Klage wegen einer künftigen Rechtsbeziehung zu überziehen.
In einem Fall, in dem ein Bruder sich zu Lasten seiner beiden Geschwister von dem Vater einen ganzen Geschäftsbetrieb im Millionenwert übertragen lassen hat, wobei der Vater dement gewesen sein soll, haben wir beantragt, im Wege der Beweissicherung durch Sachverständigengutachten zu prüfen, ob der Vater bei Abschluss des notariellen Vertrages geschäftsfähig war.
Das Landgericht Osnabrück hat den Antrag abgelehnt; das Oberlandesgericht Oldenburg hat dem Antrag auf unsere Beschwerde stattgegeben. Mit diesem – bisher in Deutschland einmaligen – Beschluss ordnet das OLG die Untersuchung an – Zustimmung des Betroffenen vorausgesetzt -, weil ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Zustandes des noch lebenden Erblassers darin besteht, dass die Möglichkeit von Ansprüchen nach dem Tod des Vaters ernsthaft erwartet werden kann. Als voraussichtlich erbrechtlich Begünstigte (Erben oder Pflichtteilsberechtigte) nach ihrem Vater hätten die Geschwister ein Interesse an der Feststellung der Voraussetzung der Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt des notariellen Übertragungsvertrages.
Diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg ist richtig und geeignet, die missliche Situation in Erbfällen zu beseitigen, in denen ein Geschwister zulasten der anderen versucht, sich unrechtmäßig Vorteile zu verschaffen.
Bei Fragen zum Erbrecht wenden Sie sich gerne an:
Hermann Roling
Rechtsanwalt und Notar a.D.
Fachanwalt für Erbrecht
Dr. Sebastian Roling
Rechtsanwalt und Notar