Der Verbraucherwiderruf im Baurecht

Wer kennt es nicht: die neue Kamera gefällt nicht, die Hose sitzt doch nicht so gut, oder der 65“ Flatscreen-TV kann die Versprechungen der Testberichte nicht einhalten. Schnell per Online-Formular wird dem Verkäufer mitgeteilt, dass die Ware zurückgehen soll, Retourenlabel ausgedruckt, aufgebracht und zurück zur Post. Von dieser Möglichkeit des sogenannten Verbraucherwiderrufs wird bundesweit täglich Gebrauch gemacht.

Der folgende Beitrag soll sich mit der Frage auseinandersetzen, was passiert, wenn ein Verbraucher einen Werkvertrag oder einen Verbraucherbauvertrag abschließt, diesen jedoch gerne rückabwickeln will. Dies kann der Bau einer Gartenhütte, das Fliesen eines Bades, der Einbau neuer Fenster im Eigenheim, aber auch der Bau eines Einfamilienhauses sein. All diesen Fällen dürfte gemein sein, dass die Werte, die hier rückabgewickelt werden müssen, schnell fünfstellige Beträge und mehr erreichen. Gleichzeitig dürfte die Rückgewährung einmal erbrachter Leistungen des Unternehmers vielfach kaum möglich sein, wie zum Beispiel die Rückgewähr verlegter Fliesen nur unter vollständiger Zerstörung der Fliesen möglich sein dürfte, sodass gerade der Unternehmer hieran kein Interesse haben wird.

1. Verbraucherwiderruf

Rechtlicher Hintergrund ist folgender: Verbraucher, die mit einem Unternehmer einen Vertrag schließen, der außerhalb von Geschäftsräumen, oder ausschließlich unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln zustande kommt, können diesen Vertrag innerhalb einer Frist von 14 Tagen ab Vertragsschluss bzw. Erhalt der Ware widerrufen, § 312g Abs. 1 BGB iVm. § 355 BGB. Die Widerrufsfrist beginnt jedoch nicht, bevor nicht der Unternehmer den Verbraucher über sein Widerrufsrecht belehrt hat. Verpasst der Unternehmer die Belehrung des Verbrauchers beträgt die Widerrufsfrist zwölf Monate und 14 Tage, § 356 Abs. 3 BGB. Sobald der Widerruf erfolgt ist, haben die Vertragsparteien grundsätzlich die empfangenen Leistungen unverzüglich, zumindest aber innerhalb von 14 Tagen zurück zu gewähren, sprich der Unternehmer muss das Geld zurück überweisen, der Verbraucher muss die empfangene Leistung zurückgeben. Wertersatz für einen Wertverlust der Leistung hat der Verbraucher nur dann zu zahlen, wenn der Verbraucher vom Unternehmer über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, § 356 Abs. 5 BGB.

2. Werkvertrag, § 631 BGB

Auch der Widerruf eines Werkvertrages nach § 631 BGB folgt diesen Regelungen. Werkvertrage zeichnen sich dabei dadurch aus, dass ein bestimmter Erfolg geschuldet wird, sprich das mangelfreie Verlegen der Fliesen, der mangelfreie Einbau der Fenster, der mangelfreue Aufbau der Gartenhütte. In diesen Fällen werden die wirtschaftlichen Risiken des Unternehmers besonders deutlich.

Oftmals dürften kleinere und mittelständische Handwerker nicht über die rechtlichen Hintergründe oder das Erfordernis einer Widerrufsbelehrung in bestimmten Sachverhalten aufgeklärt sein. Der Vertragsschluss, soweit er überhaupt schriftlich festgehalten wird, kommt per Whats-App, SMS, auf der Baustelle selber oder im Telefonat auf der Grundlage eines einmal erstellten Angebots zustande. Über ein Widerrufsrecht, geschweige denn eine Belehrung hierüber, wird überhaupt gar nicht nachgedacht. Kurz nach Vertragsschluss, rückt der Unternehmer an, beginnt seine Tätigkeit und schließt diese zeitnah ab.

Hat er es in diesen Fällen verpasst, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu belehren, sind die jeweiligen Leistungen, ohne Wertersatzpflicht des Verbrauchers, zurück zu gewähren. Vielmehr noch statuiert § 357 Abs. 6 S. 3 BGB, dass der Unternehmer verpflichtet ist, bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können. Danach dürfte der Unternehmer z.B. verpflichtet sein, bereits verlegte Fliesen oder bereits eingebaute Fenster auf eigene Kosten auszubauen und abzutransportieren.

Im Übrigen greift in diesen Fällen der Ausschlusstatbestand des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht. Danach besteht ein Widerrufsrecht zwar nicht, wenn der Vertrag die Lieferung von Waren zum Gegenstand hat, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich war oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Mit Urteil vom 30.08.2018 (Aktenzeichen: VII. ZR 243/17) entschied der BGH jedoch, dass § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB regelmäßig nicht für Werkverträge nach § 631 BGB gelte.

Ergo: kommt der Unternehmer seiner Belehrungspflicht nicht nach, kann er im Falle des Widerrufs gezwungen sein, seine gesamte Arbeit zurückzubauen, zu beseitigen und abzutransportieren, obwohl diese nach Ausbau gänzlich wertlos ist. Gleichzeitig hat er dem Verbraucher die gesamte bereits gezahlte Vergütung zu erstatten. Im Rahmen des deutschen Verbraucherschutzes scheint der Gesetzgeber davon auszugehen, dass dieses für den Unternehmer womöglich verheerende Ergebnis hinnehmbar ist.

3. Verbraucherbauvertrag, § 650i BGB

Weniger problematisch für den Unternehmer dürfte der Abschluss eines sog. Verbraucherbauvertrages sein. Nach dem zum 01.01.2018 ins BGB eingeführten § 650i Abs. 1 BGB ist ein Verbraucherbauvertrag ein Vertrag, durch den ein Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Nach dem Wortlaut wird bereits deutlich, dass das Fliesen eines Bades, oder der Einbau von Fenstern keine Verbraucherbauverträge sind. Allerdings sollen auch untergeordnete Bauobjekte, wie zum Beispiel Gartenhütten oder Carports hiervon nicht erfasst sein. Klassischer Verbraucherbauvertrag ist demnach der Schlüsselfertigbau.

Unabhängig davon, ob der Verbraucherbauvertrag außerhalb von Geschäftsräumen oder lediglich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen ist, hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht, § 650l S. 1 BGB. Der Unternehmer hat jedoch gleichfalls den Verbraucher über das Widerrufsrecht zu belehren, § 650l S. 2 BGB. Kommt der Unternehmer dieser Belehrungspflicht nach, kann der Verbraucher innerhalb von 14 Tagen widerrufen, belehrt der Unternehmer nicht, innerhalb von zwölf Monaten und 14 Tagen, § 356e BGB.

Soweit der Unternehmer zum Zeitpunkt des Widerrufs bereits mit der Arbeit begonnen hat, oder diese sogar abgeschlossen hat, wird er durch § 357d BGB geschützt, der ihm einen Wertersatzanspruch, unabhängig davon, ob eine Belehrung erfolgte, oder nicht, für Leistungen gewährt, die ihrer Natur nach nicht zurückgewährt werden können. Sprich, der Schlüsselfertigbauer erhält trotz des Widerrufs seine Vergütung.

Rechtsanwalt Nils Gerloff berät Sie gerne über Möglichkeiten Ihres persönlichen Widerrufs, oder darüber, wie Sie Ihr Unternehmen für das Verbraucherschutzrecht einstellen.

Nils Gerloff
Rechtsanwalt

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