Dienstrecht: Fürsorgeanspruch eines Beamten für (Spät)Folgen eines Dienstunfalles

In einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren haben wir einen Beamten vertreten, der infolge eines Dienstunfalles schwer verletzt worden ist. Er erlitt ein Schädelhirntrauma und erhielt im folgenden Dienstunfallfürsorgeleistungen von seinem Dienstherrn.

Nachdem bei einer späteren Untersuchung festgestellt worden ist, dass nunmehr auch ein Diabetes mellitus vorlag, hat der Dienstherr, vertreten durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen, zunächst auch die Medikamente und Aufwendungen in Zusammenhang mit der Diabeteserkrankung übernommen.

Übernahme nach zehn Jahren eingestellt

Erst rund zehn Jahre später meinte der Dienstherr, diese Leistungen seien nicht kausal auf den Dienstunfall zurückzuführen und stützte sich auf ein amtsärztliches Gutachten. Er stellte daraufhin die Übernahme ein und meinte, den Kläger auf seinen Beihilfeanspruch und die bestehende private Krankenversicherung verweisen zu können.

Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beim Verwaltungsrgericht Münster war dieser Bescheid, mit dem das Landesamt Leistungen ablehnt.

Das Landesamt meinte, gestützt auf eine ärztliche Begutachtung, dass eine Kausalität im Sinne des Dienstunfallrechtes zwischen dem erlittenen Schädelhirntrauma und dem Diabetes mellitus nicht vorliege. Das Schädelhirntrauma habe zum Eintritt des Diabetes mellitus nicht wesentlich mitgewirkt.

Verwaltungsgericht Münster betont Rechtswidrigkeit des Vorgehens des Landesamtes

Das Verwaltungsgericht Münster hat dieses Verfahren, Az. 4 K6315 / 17 im Wege des Beschlusses für den Mandanten entschieden. In der mündlichen Verhandlung hat das Landesamt den streitgegenständlichen Bescheid zurückgenommen. Das Gericht hat deutlich gemacht, dass die Entscheidung des Landesamtes fehlerhaft war.

Diabetes als Folge des Dienstunfalles wurde anerkannt

Wesentlicher Fehler war dabei, dass sich aus dem Verwaltungsvorgang zumindest schlüssig auch ergab, dass das Landesamt die Diabeteserkrankung als Dienstunfallfolge anerkannt habe. Es hätte deshalb nicht nur des streitgegenständlichen Bescheides bedurft, sondern diese Anerkennung hätte über die Regelungen des § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW explizit zurückgenommen werden müssen. Dies sei nicht erfolgt.

Ausfall des Ermessens gerügt

Das Ermessen könne auch nicht nachgeholt werden, weil dahingehende Erwägungen im Klageverfahren gemäß § 114 S. 2 VwGO zwar ergänzt, nicht aber erstmalig angestellt werden könnten.

Ärztliches Gutachten grob fehlerhaft

Weitergehend bemängelte das Gericht auch, dass die als Grundlage dienende Begutachtung durch den Amts – und Facharzt nicht ausreichend gewesen sei. Dieser habe im Wesentlichen nur Standardwerke zitiert, ohne auf den Fall konkret abzustellen. Auch eine Nachbegutachtung sei nicht ausreichend gewesen. So habe der Gutachter insbesondere keine Aussagen dazu getroffen, dass es erforderlich sein solle, dass Diabetes mellitus drei Monate nach einem Unfall festgestellt werden müsse, um noch als Dienstunfallfolge anerkannt zu werden.

Im Ergebnis war unsere Klage damit erfolgreich.

Behörde kann wohl nicht nachbessern

Das Verfahren gibt Anlass zu weiteren Bedenken. Fraglich ist, ob die Landesbehörde den von ihr verursachten Fehler, Ermessen für die Rücknahme der Entscheidung nicht geltend gemacht zu haben, in einem erneuten Verfahren heilen kann. Dies dürfte fraglich sein, weil § 48 VwVfG NRW in Abs. 4 eine Frist von einem Jahr seit Zeitpunkt der Kenntnisnahme vorsieht. Spätestens mit der Begutachtung, die zur Versagung der Übernahme der Kosten für den Diabetes mellitus führte, war die Behörde nämlich davon überzeugt, dass eine Dienstunfallfolge nicht vorlag. Sie hatte insofern vollumfängliche Kenntnis. Eine Rücknahme dürfte damit ausgeschlossen sein.

Fragwürdige Gutachten nicht einfach hinnehmen

Im Verfahren hat die Behörde zudem versucht, ihre Erkenntnisgrundlage durch eine Nachbegutachtung zu verbessern. Sie bemühte hier nicht nur denselben Gutachter, sondern sie ließ diesen auch alle Schritte von sich aus veranlassen. Diese formal höchst fragwürdige Vorgangsweise wurde von uns ignoriert. Unser Mandant ist zur Begutachtung nicht erschienen. Dies erwies sich als richtig, weil damit das Ergebnis des Gutachtens, ohne eine erneute Untersuchung des Mandanten, nicht aussagekräftig war.

Beihilfe oder private Krankenversicherung sind keine Lösung

Auch die in diesen Fällen oftmals anzutreffenden Argumentation, der Kläger habe ja noch einen Anspruch gegenüber seiner Beihilfe oder seiner privaten Krankenversicherung, war und wird nicht erfolgreich sein. Dienstunfallfürsorge ist nämlich eine Leistung, die vollumfänglich vom Dienstherrn zu leisten ist. Einschränkungen wie bei der Beihilfe – insbesondere die nicht vollständige Übernahme der Leistung - oder Versicherungsbedingungen für den Beihilfeergänzungstarif der privaten Krankenversicherung, spielen hier keine Rolle. Es ist daher wichtig auch die Trägerschaft für solche Folgen einer Erkrankung eindeutig und frühzeitig zu klären.

Fragen zur obigen Thematik und zu den Strategien in Bezug auf den Umgang mit der Ablehnung von Leistungen des Dienstherrn im Fürsorge– und Beihilferecht beantwortet Ihnen in unserer Kanzlei:

Jan Kuhlmann

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Erster Beigeordneter a.D.

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