Direktvergabe an kommunale Verkehrsunternehmen nur als interne Betreiber möglich, nicht als KMU

Die Vergabekammer des Landes Niedersachsen hat in einem von Roling & Partner betriebenen Verfahren (Az. VgK-43/2016) am 28.11.2016 erhebliche Zweifel daran geäußert, dass ein kommunales Verkehrsunternehmen als "kleines bis mittleres Unternehmen" (KMU) gemäß Art. 5 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1370/07 direkt beauftragt werden kann. 

Stattdessen spreche viel dafür, dass kommunale Aufgabenträger ein kommunales Unternehmen nur als interner Betreiber gemäß Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/07 direkt beauftragen könne. Hintergrund war, dass das kommunale Verkehrs"unternehmen" im Wesentlichen aus zweieinhalb Personalen besteht und über keinerlei eigene Fahrzeuge oder Fahrer verfügt. Die zwingende Vorgabe einer "überwiegenden Selbsterbringung" aus Art. 5 Abs. 2 lit. e) VO (EG) Nr. 1370/07 konnte die kommunale Tochter daher nicht erbringen. 

Vergabekammer: Rückgriff auf KMU-Direktvergabe nicht möglich

Der Aufgabenträger argumentierte, da die kommunale Tochter über weniger als 23 Fahrzeuge verfüge, sei sie ein KMU und könne gemäß Art. 5 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1370/07 direkt beauftragt werden. Dies führe dazu, dass lediglich ein "bedeutender Teil" der Leistung selbst erbracht werden müsse. Da gleichzeitig Planung, Aufbau und Betrieb vom Auftrag des Aufgabenträgers an seine Tochter umfasst seien, dürfe sogar eine vollständige Übertragung des Betriebs geschehen. 

Dem entgegen äußerte die Vergabekammer in einem obiter dictum, dass viel dafürspreche, dass die kommunale Direktvergabe gegenüber der KMU-Direktvergabe lex specialis und damit vorrangig sei. Ein Rückgriff auf eine KMU-Direktvergabe wäre demnach nicht möglich. 

Beschluss verhindert Umgehung der Voraussetzungen

Der Beschluss ist zu begrüßen. Er verhindert eine Umgehung der Voraussetzungen, welche der europäische Gesetzgeber an die Direktvergabe von Verkehrsleistungen an eine kommunale Tochtergesellschaft aufstellt. Eine schrankenlose Kommunalisierung von Verkehrsleistungen über nahezu leere Gesellschaftshüllen ist bereits vor dem Hintergrund der durch Art. 12 GG geschützten Gewerbefreiheit abzulehnen. Die KMU-Direktvergabe hat ihren Weg in die Verordnung zum Zwecke des Schutzes des privaten Mittelstands gefunden. Nicht beabsichtigt war hingegen, es dem Staat zu ermöglichen, dem Verkehrsmarkt frei von gesetzlichen Fesseln langjährig Volumen zu entziehen. 

Nota bene:
Das Verfahren drehte sich in erster Linie nicht um die Direktvergabe des Aufgabenträgers an das kommunale Verkehrs"unternehmen", sondern um dessen Unterauftragsvergabe. Die kommunale Tochter hatte es einem konkurrierenden Konzernunternehmen erlaubt, nach Angebotsschluss noch Unterlagen nachzureichen, die zuvor unvollständig waren. 

Die Vergabekammer sah dies als schwerwiegende Verletzung der Rechte der Roling & Partner-Mandantschaft und zwang daher das kommunale Verkehrs"unternehmen", das Konzernunternehmen auszuschließen und die Wertung der Angebote zu wiederholen. 

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. 

Bei Fragen zum Vergaberecht sowie zum Recht des Öffentlichen Personennahverkehrs wenden Sie sich gerne an:

Dr. jur. Sebastian Roling, LL.M. (Public Law) 

  • Rechtsanwalt Fachanwalt für Verwaltungsrecht
  • Fachanwalt für Vergaberecht
  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

und 

Till Martin 

  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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