Direktvergabe Lampertheim unwirksam

In den von Roling & Partner erwirkten Entscheidungen zu Direktvergaben im ÖPNV (VK Münster, Beschluss vom 07.10.2010 – VK 6/10, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2.3.2011 – VII Verg 48/10, VK Südbayern, Beschluss vom 25.3.2011 – VK 11/10 und OLG München, Beschluss vom 22.6.2011 – Verg 6/11) wurde jeweils festgestellt, dass die von den betroffenen Aufgabenträgern geplanten Direktvergaben an kommunale Unternehmen nicht nur rechtswidrig, sondern auch unwirksam waren und die von Roling & Partner vertretenen Verkehrsunternehmen in ihren Rechten verletzten.

Mit Beschluss vom 5.10.2012 hat das OLG Karlsruhe nun eine weitere, vom Verkehrsverbund Rhein Neckar (VRN) durchgeführte Direktvergabe für nichtig erklärt und festgestellt, dass das Vorgehen des Verbundes das von uns vertretene Unternehmen Reisecenter Beth in seinen Rechten verletzt.

Damit liegt nun nicht nur für Nordrhein Westfalen und Bayern sondern auch für Baden-Württemberg eine höchstrichterliche und bestandskräftige Entscheidung zu Direktvergaben nach der VO (EG) Nr. 1370/07 vor.

OLG Karlsruhe: Herrin des Verfahrens sei allein die Vergabestelle

Die Vergabekammer hatte zuvor noch gegen das Unternehmen entschieden, sich dabei aber jeder materiellen Bewertung enthalten und den Nachprüfungsantrag aus rein formalen Gründen als unzulässig abgewiesen: Ein Unternehmer dürfe nicht zunächst für eine Direktvergabe bei den politischen Instanzen werben, und diese später dann angreifen, wenn nicht er, sondern ein Konkurrent sie erhalte. Dies sei vorwerfbares widersprüchliches Verhalten, welches das Rechtsschutzinteresse entfallen lasse. Das OLG Karlsruhe sieht dies anders. Herrin des Verfahrens sei allein die Vergabestelle. Einem Bieter könne nicht vorgeworfen werden, dass er sich für ein besonderes Verfahren einsetze, da er dieses gerade nicht bestimmen könne. Zudem dürfe man seine Meinung auch ändern. Die Pflicht zur Durchführung eines zulässigen und rechtmäßigen Verfahrens treffe allein der Vergabestelle.


Im Unterschied zu den Direktvergaben im Münsterland und in Lindau hatte der VRN in Lampertheim keine Direktvergabe an ein kommunales Unternehmen gemäß Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/07, sondern eine Direktvergabe an ein privates Unternehmen gemäß Art. 5 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1370/07 gewählt. Gleichwohl sollte die kommunale Tochter der Stadt von der Direktvergabe zusammen mit zwei privaten Betreibern profitieren. Ein Betreiber stand dabei von vorneherein laut Konzessionsunterlagen fest: Der siegreiche „Bieter“ war gezwungen, diesem Unternehmen einen wesentlichen Anteil des Vertragsvolumens als Subunternehmer zukommen zu lassen. Der zweite Betreiber sollte über eine reine Preisabfrage ermittelt und dann „Konzessionsnehmer“ werden.

Kein Konzessionsvertrag, sondern Dienstleistungsauftrag deutlichster Art

Das OLG Karlsruhe entschied, dass der zu Grunde liegende „Konzessionsvertrag“ eben kein solcher sei, sondern ein Dienstleistungsauftrag deutlichster Art. Die reine Bezeichnung als „Konzession“ sei nicht maßgeblich, es komme auf die Risikoverteilung an. In der mündlichen Verhandlung äußerten sowohl Berichterstatter als auch Vorsitzender, sie hielten das Konstrukt des VRN angesichts des vom VRN offen gelegten Verhältnisses von Fahrgeldeinnahmen und Zuschüssen für einen reinen Umgehungsversuch. 

Besonders deutliche Worte fand der Senat in der mündlichen Verhandlung zu der Konstruktion, dass die kommunale Tochter sich im Innenverhältnis laut Konzessionsvertrag dazu verpflichtet hatte, jeglichen Betriebsaufwand des siegreichen „Bieters“ in Form einer pauschalen Verlustübernahme zu vergelten. Ließe man einen derartigen Vertrag als Dienstleistungskonzession gelten, gäbe es quasi keine Dienstleistungsaufträge mehr, und das Vergaberecht werde obsolet. Es sei für den Senat beim Verkehrsunternehmen gar kein Risiko erkennbar.

Senat zählt weitere Vergabefehler auf

Der Argumentation des VRN, für die Frage, ob eine Dienstleistungskonzession vorliege, käme es nur darauf an, ob der Aufgabenträger sich des Risikos entledige, erteilte der Senat eine deutliche Absage. Es komme einzig und allein auf die Sicht des Konzessionsnehmers an – ob der Aufgabenträger, oder aber eine dritte Person (hier das Kommunalunternehmen) das Risiko übernehme, sei unerheblich. Es habe beim Konzessionsnehmer zu verbleiben. Der Senat zählte noch eine Reihe weiterer Vergabefehler des VRN auf, u. a. auch, dass dieser mehrfach seinen Veröffentlichungspflichten nicht genügt habe. Allein dies reiche schon aus, den Vertrag für nichtig zu erklären. Der VRN hatte zunächst ein „wettbewerbliches Verfahren gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1370/07 veröffentlicht und diese Veröffentlichung später „berichtigt“ zu einer Direktvergabe, ohne jedoch vor Vertragsschluss die zwingende Jahresfrist des Art. 7 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/07 einzuhalten. Der Beschluss zeigt einmal mehr deutlich, dass die Möglichkeiten der Direktvergabe von Verkehrsleistungen in der VO (EG) Nr. 1370/07 keine Pauschalamnestie gegenüber den Aufgabenträger treffenden vergaberechtlichen Pflichten darstellt sondern sorgfältig zu prüfen und vorzubereiten ist, ob jene Ausnahmevorschriften vom Grundsatz der wettbewerblichen Vergabe von Leistungen erfolgreich und rechtssicher in Anspruch genommen werden können. Dabei sind die lokal ansässigen Verkehrsunternehmen gut beraten, „ihren“ Aufgabenträger rechtzeitig zu begleiten – denn die späte Feststellung der Nichtigkeit eines Konzessionsvertrags verträgt sich nur schlecht mit den erheblichen Investitionen, die ein Unternehmen im Vertrauen auf die Rechtssicherheit seiner Beauftragung tätigt. Der Beschluss ist rechtskräftig. Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung. Auf Anforderung überreichen wir den Beschluss gern in anonymisierter Form. 

Ihre Ansprechpartner in vergaberechtlichen Fragen sind 

Dr. jur. Sebastian Roling, LL.M. (Public Law) 

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Till Martin 

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