In jüngster Vergangenheit haben – etwa im Hochtaunuskreis – vermehrt Insolvenzen von Verkehrsunternehmen für Furore gesorgt. Vorangegangen waren dem europaweite Ausschreibungsverfahren, die mit dem Zuschlag eines langjährigen öffentlichen Dienstleistungsauftrags an das sodann Insolvenz anmeldende Verkehrsunternehmen endeten. Anderenorts gerieten Unternehmen im Rahmen des eigenwirtschaftlichen Genehmigungswettbewerbs in Schieflage, sodass massiv Fahrten ausfallen und der Verkehr nicht mehr den öffentlichen Verkehrsinteressen entsprechend durchgeführt wird – zu nennen ist insbesondere der Raum Siegen/Olpe.
Hochzonung und Kommunalisierung als Lösung?
Der Presse lässt sich entnehmen, dass die verantwortlichen Aufgabenträger – also in aller Regel die Landkreise und kreisfreien Städte – reflexartig mit Rufen nach einer Kommunalisierung des öffentlichen Nahverkehrs (über)reagieren. Der Erwerb privater Unternehmen, oder aber gleich die Gründung eines neuen kommunalen Unternehmens werden als Allheilmittel angesehen. Da die öffentliche Hand de facto nicht insolvenzfähig ist, mag man zynisch anmerken, dass das Problem insoweit jedenfalls gelöst wäre. Ein offenes Geheimnis ist allerdings auch, dass die Kostenstrukturen öffentlicher Unternehmen denen des privaten Mittelstandes unterlegen sind. Eine insolvenzfeste Leistungserbringung würde sich auf diesem Wege also mit viel Steuermitteln teuer erkauft.
Übernahme von ÖPNV-Leistungen ist ungeeignet und unverhältnismäßig
Ein Blick ins Vergaberecht zeigt dabei, dass die Übernahme von Leistungen im örtlichen Personennahverkehr in Eigenregie bereits ungeeignet, jedenfalls aber unverhältnismäßig ist. Denn das Vergaberecht selbst erhält im Vergleich zu einer Verstaatlichung ausreichend geeignete mildere Mittel vor, um Hasadeuren den Markteintritt rechtmäßig zu verwehren und dass mit Unterkostenangeboten einhergehende Risiko eines vorzeitigen Leistungsabbruchs zu vermeiden.
Bieter müssen auskömmlich kalkulieren!
Selbstverständlich obliegt es in erster Linie den Bietern, auskömmlich zu kalkulieren, sodass es Ihnen möglich ist, die Leistung über die vorgesehene Vertragslaufzeit mangelfrei zu erbringen. Der ganz überwiegende Teil insbesondere mittelständischer Unternehmen hält sich schon aus Eigeninteresse hieran – finanzkräftige Investoren und Konzernmütter, die einen Markteintritt gegebenenfalls auch unter Preis zu finanzieren bereit sind, sind schlicht nicht vorhanden.
Unterkostenangebote sind niemals wirtschaftlich im Sinne des § 127 GWB
Allerdings ist auch der Auftraggeber, also der Aufgabenträger, gehalten, Unterkostenangebote zu erkennen und zu verhindern. Denn der Zuschlag darf nur auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden, § 127 GWB. Ein Angebot, das über die Vertragslaufzeit nicht tragfähig ist, ist niemals wirtschaftlich. Denn bei einem vorzeitigen Leistungsabbruchabbruch ist der Aufgabenträger in aller Regel zu einer (im Verhältnis zu einer ordentlichen Ausschreibung ungleich teureren!) Interims- oder auch Notmaßnahme gezwungen, damit der Verkehr nicht unterbrochen wird.
Mittel des Vergaberechts zur Verhinderung von Insolvenzen
Der Aufgabenträger hat hinreichend Mittel, die Vertragserbringung sicherzustellen: So kann er sich die finanzielle Leistungsfähigkeit der Bieter gemäß § 45 VgV bereits im Rahmen der Eignung nachweisen lassen. Darüber hinaus kann – und muss – er ihm ungewöhnlich niedrig erscheinende Angebote gemäß § 60 VgV aufklären. Allerdings existiert kein rigoroses Verbot des Zuschlags auf ungewöhnlich niedrige Angebote: Es kommt zu einem klassischen Bock-Gärtner-Problem: Der Aufgabenträger ist gehalten, zu sparen und müsste bei Ausschluss eines Unterkostenangebots auf Platz eins der Bieterrangfolge zudem mit einiger Sicherheit mit Rechtsmitteln des ausgeschlossenen Bestbieters rechnen. Hinzu kommt, dass unterlegene Bieter kaum Chancen haben, sich gegen Unterkostenangebote vor der Vergabekammer mit Erfolg zu wehren.
Lösen lässt sich dieses Problem nur dann, wenn ein selbstbewusster Aufgabenträger über hinreichende Kenntnisse und eine tragfähige Vergleichskalkulation verfügt und nicht davor zurückschreckt, Unterkostenangebote von Hasadeuren auszuschließen und dies gegebenenfalls auch gerichtlich durchzufechten.
Bürgschaften als Mittel der Wahl?
Nicht unerwähnt bleiben darf auch die Möglichkeit von Auftraggebern, Vertragserfüllungsbürgschaften anzufordern. Die Rechtsprechung hat bereits die Forderung von Bürgschaften abgesegnet, die sich auf 10 % des Gesamtauftragswertes erstrecken. Im Fall langjährig laufender öffentlicher Dienstleistungsaufträge ist dies ein nennenswerter Betrag. Die Forderung von Bürgschaften bieten sowohl dem Aufgabenträger als auch dem seriösen Wettbewerb Sicherheit, da sie die Abgabe von Unterkostenangeboten unattraktiv machen. Allerdings werden die Bieter die hierdurch entstehenden Avalkosten einpreisen und durchbelasten – der Aufgabenträger muss also mit im Ergebnis höheren Preisen rechnen. Im Gegenzug erhält er allerdings auch die damit einhergehende Vertragserfüllungssicherheit.
Durchdachte Ausschreibungen anstelle von Kommunalisierung
Im Ergebnis ist eine Abschottung des Marktes hin zur Kommunalwirtschaft weder erforderlich, noch (unter Kostengesichtspunkten) überhaupt geeignet, dem Problem zu begegnen. Stattdessen sollte das Bewusstsein dafür wachsen, dass solide Leistung einen auskömmlichen Preis fordert. Aus Sparzwang Ausschreibungen zu veranstalten, die Unterkostenangebote und damit die Gefahr von Insolvenzen provozieren, nur um in der Folge übermäßig viel Geld für die kommunale Leistungserbringung auszugeben ist keine Lösung, sondern eine Milchmädchenrechnung.
Bei Fragen zum Vergaberecht wenden Sie sich gerne an:
Dr. jur. Sebastian Roling LL. M. (Public Law)
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Fachanwalt für Vergaberecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
und
Till Martin
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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