Bekanntlich soll zwischen „O bis O“ (Oktober bis Ostern) mit Winterreifen gefahren werden. Der § 2 Abs. 3a StVO sieht vor, dass bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte nur mit M + S- Reifen gefahren werden. Winterreifen erfüllten diese Anforderung. Bei einem Verstoß drohen ein Bußgeld von 60 EUR und ein Eintrag von einem Punkt in Flensburg. Die immer wieder kehrende Frage ist, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn es bei winterlichen Straßenverhältnissen zu einem Verkehrsunfall eines Autofahrers kommt, der mit Sommerreifen unterwegs ist.
In der Haftpflichtversicherung ist von einer erhöhten Betriebsgefahr auszugehen, d.h. muss etwa ein Fahrzeug einem Unfallfahrzeug ausweichen und verunglückt dabei, kommt es in der Regel zu einer Mithaftung von 20 Prozent. So hat es das AG Trier im Jahr 1987 gesehen. Nur wenn die Benutzung der Sommerreifen für den Unfall nicht kausal war, kommt es nicht zur Mithaftung. Dies muss gegebenenfalls durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden.
Fahren mit Sommerreifen im Winter führt nicht in jedem Fall zur Kürzung der Kaskoleistung
Zur Rechtslage in der Kaskoversicherung hat das Amtsgericht Papenburg in seinem Urteil vom 10.03.2016 – Az.: 20 C 322/15 – die Auffassung vertreten, dass das Fahren mit Sommerreifen im Winter nicht in jedem Fall zu einer Kürzung der Kaskoleistungen gemäß § 81 Abs. 2 VVG führt. Grobe Fahrlässigkeit liegt nicht darin, dass der Kläger mit Sommerreifen gefahren war. Zwar schreibt § 2 Abs. 3a StVO vor, dass bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch und Eis- oder Reifglätte geeignete Reifen zu nutzen sind. Dies führt jedoch nicht zu einer generellen Winterreifenpflicht, so betont das Gericht.
Unter Berücksichtigung der zur Tatzeit herrschenden Wetterverhältnisse war es geboten, mit Winterreifen zu fahren und die Geschwindigkeit entsprechend anzupassen, so dass ein objektiv verkehrswidriges Verhalten durchaus nahelag. Allerdings fehlte in subjektiver Hinsicht ein erheblich gesteigertes Verschulden. Es musste sich dem Kläger vor dem Unfallereignis nicht zwingend aufdrängen, dass das Fahren mit Sommerreifen mit einer vor Ort grundsätzlich zulässigen Geschwindigkeit besonders gefahrenträchtig war. Deswegen konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass dem Kläger subjektiv ein erheblich gesteigertes Verschulden vorzuwerfen war, so dass es unter Berücksichtigung der gesamten Umstände an einem grob fahrlässigen Verhalten fehlte.
Abkommen von der Straße mit Winterreifen konnte nicht ausgeschlossen werden
Im Übrigen konnte auch nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass es nicht zu dem Unfall gekommen wäre, wenn der Kläger mit Winterreifen gefahren wäre. Gerade im Falle von Eisglätte kann nämlich ein Abkommen von der Straße auch mit Winterreifen keineswegs ausgeschlossen werden. Der verklagte Kaskoversicherer musste also voll zahlen.
Aus den oben dargestellten Gründen sollte bei einem Verkehrsunfall unbedingt ein Fachanwalt für Verkehrsrecht eingeschaltet werden, um die Ansprüche auch wirklich rechtssicher und wirtschaftlich so gut wie möglich für den Geschädigten durchzusetzen. Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall zahlt die gegnerische Haftpflichtversicherung die Anwaltsgebühren. Wenn die eigene Kaskoversicherung nicht zahlt, hilft eine Rechtsschutzversicherung weiter, die Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtskosten im Falle einer Klage übernimmt.