Rechtsfigur des standardisierten Messverfahrens
Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr werden von den Ordnungsbehörden in der Regel durch Geschwindigkeitsmessgeräte vorgenommen. Für die allermeisten Geschwindigkeitsmessgeräte hat die Rechtsprechung die Rechtsfigur des sogenannten standardisierten Messverfahrens entwickelt. Dies bedeutet, dass bei der Nutzung eines Geschwindigkeitsmessgerätes die Messung als richtig gilt, wenn die Anforderungen aus der Bedienungsanleitung eingehalten werden. Dann muss der Betroffene im Ordnungswidrigkeitenverfahren konkret nachweisen, wo denn ein Fehler bei der Geschwindigkeitsmessung liegen soll. Es reicht insoweit nicht, dass ein Pkw-Fahrer meint, dass er nicht so schnell unterwegs war, wie ihm vorgeworfen wird. Der Vorwurf einer fehlerhaften Geschwindigkeitsmessung wird daher schnell erhoben, ist aber konkret im Einzelfall nur sehr schwer zu belegen. Es geht also im Einzelfall immer darum, das standardisierte Messverfahren anzugreifen.
OLG Celle zum Messgerät Leivtec XV3
Hierzu hat das OLG Celle am 18.06.2021 (2 Ss (OWi) 69/21) einen interessanten Beschluss erlassen. Im zu entscheidenden Fall wurde ein Pkw-Fahrer mit dem Geschwindigkeitsmessgerät Leivtec XV3 kontrolliert. Danach soll er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 37 km/h überschritten haben. Das Amtsgericht Walsrode verurteilte den Betroffenen daher zu einer Geldbuße von 140,00 EUR und verhängte darüber hinaus ein einmonatiges Fahrverbot, was dem Regelfall einer Sanktion in einem vergleichbaren Fall entspricht.
Messfehler beim Messgerät Leivtec XV3
Hiergegen ging der verurteilte Pkw-Fahrer im Wege der Rechtsbeschwerde vor, was dazu führte, dass das OLG Celle das Urteil aufhob und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Walsrode zurückverwies. Grund hierfür war, dass die für die Bauartprüfung dieses Messgerätes zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zwischenzeitlich bei bestimmten Versuchsanordnungen seltene Messfehler reproduzieren konnte, die zulässige Toleranzen überschritten. Da dieser Abschlussbericht der PTB nicht eindeutig erkennen ließ, unter welchen Messbedingungen sich Messwertabweichungen zu Ungunsten bzw. ausschließlich zu Gunsten Betroffener auswirken können, sah das Gericht bei diesem Messgerät keine hinreichende Gewähr mehr für die Annahme eines standardisierten Messverfahrens und damit für die Zuverlässigkeit der erzielten Messergebnisse.
Kein standardisiertes Messverfahren beim Messgerät Leivtec XV3
Aufgrund dieser technischen Erkenntnisse konnte daher das Amtsgericht Walsrode nicht mehr von einem sogenannten standardisierten Messverfahren ausgehen. Das OLG Celle gab dem Amtsgericht daher auf, nunmehr mittels eines Sachverständigengutachtens aufzuklären, ob in dem konkreten Einzelfall die ausgewiesene Geschwindigkeitsüberschreitung nun festzustellen ist oder nicht. Insoweit hatte der Angriff gegen das Messgerät Erfolg, so dass natürlich auch in anderen Verfahren aktuell nicht davon ausgegangen werden kann, dass bei einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät Leivtec XV3 von einem sogenannten standardisierten Messverfahren auszugehen ist. Dies gibt aktuell zumindest erfolgsversprechende Ansätze für eine Verteidigung im Bußgeldverfahren.
Ihr Ansprechpartner in Verkehrsordnungswidrigkeiten: