Kuckuckskinder erben auch

Die Ehefrau gesteht dem Ehemann auf dem Sterbebett, dass die in der Ehe aufgewachsenen Kinder nicht von ihm - dem Ehemann - seien. 

Der Ehemann unternimmt daraufhin nichts, um die Abstammung der während der Ehe geborenen Kinder feststellen zu lassen. 

Über 50 Jahre nach dem Tod der Mutter erkrankt der "Vater" an Krebs. Er errichtet ein notarielles Testament, in dem er seine Lebensgefährtin zur Erbin einsetzt und darauf hinweist, dass die während der Ehe geborenen Kinder nicht seine leiblichen Abkömmlinge seien. Er lässt kurz vor seinem Tod von einem Arzt Speichelproben entnehmen und versiegeln mit dem Ziel, die Abstammungsfrage ggf. später klären zu können. 

Nach seinem Tod machen die während der Ehe geborenen Kinder Pflichtteilsansprüche gegen die erbende Lebensgefährtin geltend. 

Diese beantragt die gerichtliche Feststellung, dass der während der Ehe geborene Sohn kein Abkömmling des Erblassers ist. 

Landgericht Osnabrück weist Klage als unzulässig ab 

Das Landgericht Osnabrück hat die Klage im Ergebnis abgewiesen. Es hält die Feststellungsklage für unzulässig aufgrund der gesetzlichen Abstammungsvermutung des § 1592 Abs. 1 BGB - danach ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn aufgrund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist. Eine solche Anfechtung kann nur binnen 2 Jahren erfolgen, nachdem der Berechtigte von den Umständen erfahren hat, die gegen die Vaterschaft sprechen - hier das über 50 Jahre zurückliegende Geständnis der Ehefrau. 

Das Landgericht hatte hier abzuwägen, ob hier eine familienrechtliche oder eine erbrechtliche Betrachtungsweise gilt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt die familienrechtliche Sperrwirkung nicht ausnahmslos, so z. B. bei Schadensersatzansprüchen gegen außereheliche Erzeuger. Im vorliegenden Fall soll trotz des langen Zeitablaufs und geänderter Verhältnisse - Zerwürfnis zwischen Scheinvater und Kindern - jedoch gleichwohl der Status als Kind bewahrt werden mit der Folge, dass die Kinder erben, obwohl sie keine Abkömmlinge im Sinne des Erb- und Pflichtteilsrechts sind. 

Vater hätte Vaterschaft anfechten müssen

Der Vater hätte nach dem Geständnis seiner Ehefrau die Vaterschaft anfechten müssen, um sich aus der familien- und erbrechtlichen Bindung zu befreien. Nachdem dies nicht erfolgt sei, gelte die Abstammungsfiktion des Familienrechts im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens. 

Diese Auffassung dürfte auch den Segen des Bundesgerichtshofs finden; ein Richter des zuständigen Senats kommt jüngst in einem Aufsatz zu dem Fazit: "Das Erbrecht folgt dem Familienrecht!" 

Hermann Roling

Rechtsanwalt und Notar a. D.
Fachanwalt für Erbrecht
Testamentsvollstrecker (DVEV zertifiziert)

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