Neue Entscheidung des BGH im VW-Dieselabgasskandal

Der Bundesgerichtshof hat am 21.02.2022 entschieden, dass Käufern von dem Dieselabgasskandal betroffenen Neuwagen, deren Anspruch nach § 826 BGB inzwischen verjährt ist, ein Anspruch gegen den Hersteller aus § 852 Satz 1 BGB zusteht. In zwei Verfahren hatten die dortigen Kläger die Volkswagen AG auf Schadensersatz nach Erwerb eines von dort produzierten Kraftfahrzeugs in Anspruch genommen. In diesen Fahrzeugen war jeweils der Dieselmotor der Baureihe EA189 eingebaut. Dieser ist bekanntlich mit einer Software ausgestattet, die erkennt, ob das Fahrzeug sich auf einem Prüfstand befindet und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselt. Die Oberlandesgerichte Koblenz und Oldenburg hatten in beiden Verfahren grundsätzlich einen Anspruch der Käufer nach § 826 BGB gegen die Firma Volkswagen AG bejaht, diese Ansprüche jedoch als verjährt angesehen, da die Kläger jedenfalls im Jahre 2016 Kenntnis von der Betroffenheit Ihrer Fahrzeuge vom sog. Dieselabgasskandal erlangt hätten und es ihnen daher zumutbar gewesen sei, binnen der nächsten drei Jahre, also bis 31.12.2019, Klage zu erheben. Insoweit wurden die Klagen von beiden Oberlandesgerichten auf die Einrede der Verjährung der Beklagten hin abgewiesen. Der weiter geltend gemachte Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB sei nach Auffassung des OLG Koblenz nicht gegeben, da der Schutzzweck des § 852 Satz 1 BGB nicht eröffnet sei. Die Vorschrift setze voraus, dass dem Geschädigten eine Rechtsverfolgung vor Verjährung des Anspruches aus 826 BGB erschwert oder unmöglich gewesen sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen, da der Kläger Ansprüche in einem Musterfeststellungsverfahren habe anmelden können. Ferner wurde der Klägerseite vorgeworfen, dass sie keine Angaben zu dem von der Firma Volkswagen AG aus dem Verkauf des Fahrzeugs an den Händler erzielten Gewinn gemacht habe.

Restschadensersatzanspruch nach § 852 Satz 1 BGB

Der Bundesgerichtshof stellt in der Revisionsinstanz klar, dass nach Verjährung des Anspruches aus § 826 BGB den Klägern in beiden Verfahren aber ein Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB zusteht. Dieser Anspruch besteht nach Auffassung des BGH ohne Rücksicht darauf, dass die Firma Volkswagen AG auch vor Ablauf der Verjährung ohne Schwierigkeiten als Schädigerin hätte in Anspruch genommen werden können. Der Geltendmachung des Anspruches aus § 852 Satz 1 BGB steht auch nicht entgegen, dass sich die Kläger nicht an einem Musterfeststellungsverfahren gegen die Beklagte beteiligt hätten.

Rechtsfolge nach § 852 Satz 1 BGB

Der BGH stellt klar, dass nach § 852 Satz 1 BGB die Firma Volkswagen AG, die die Kläger durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs geschädigt habe, das von ihr Erlangte herausgeben müsse. Erlangt habe die Firma Volkswagen AG einen Anspruch gegen den Kläger aus dem Kaufvertrag, also einen Kaufpreisanspruch. Von dem erlangten Kaufpreis bzw. in dem anderen Verfahren den Händlereinkaufspreis kann nach Auffassung des BGH die Firma Volkswagen AG Herstellungs- und Bereitstellungskosten nach § 813 Abs. 3 BGB nicht abziehen, weil sie sich im Sinne von §§ 818 Abs. 4, 819 BGB bösgläubig bereichert hätten. Der Restschadensersatzanspruch nach § 852 Satz 1 BGB gehe nicht weiter als der Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB, der grundsätzlich der Vorteilsausgleichung unterliege. Mithin müssen sich die Kläger eine Nutzungsentschädigung für die von ihnen mit den Fahrzeugen gefahrenen Kilometer anrechnen lassen und können Zahlung Zug um Zug gegen Herausgabe der Fahrzeuge verlangen. Da die beiden Oberlandesgerichte keine Feststellungen zu der Höhe der anzurechnenden Nutzungsentschädigung getroffen haben, wurden beide Verfahren zur Klärung der Nutzungsvorteile an die Berufungsgerichte vom BGH zurückverwiesen.

Als Fazit dieser Entscheidung bleibt festzuhalten, dass der BGH nunmehr auch die Frage des Restschadensersatzanspruches nach § 852 Satz 1 BGB abschließend geklärt hat und damit auch noch Käufern von Neuwagen Ansprüche gegen die Firma Volkswagen AG zustehen, die eigentlich bereits nach § 826 BGB verjährt sind, da die dortigen Käufer nicht rechtzeitig Klage erhoben haben. Der Restschadensersatzanspruch nach § 852 Satz 1 BGB richtet sich letztlich auch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des gekauften Fahrzeugs unter Anrechnung der gefahrenen Kilometer im Wege einer Nutzungsentschädigung.

Ihr Ansprechpartner im VW-Dieselabgasskandal:

Ralf Wöstmann

Rechtsanwalt
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