Rechtsschutz gegen öffentliche Veranstaltungen

hier: Urteil des VG Berlin vom 17.03.2016, Az.: 1 K 229/15

In diesem Verfahren ging es um die Klage eines Bürgers aus Berlin-Kreuzberg im Zusammenhang mit dem sog. „Myfest 2016“. Das Myfest ist eine seit 2003 jährlich am 1. Mai (Tag der Arbeit, Maifeiertag) stattfindende Kundgebung in Berlin-Kreuzberg.

Der Kläger sah sich durch das bevorstehende Myfest 2016 in seinen Rechten verletzt. In der Vergangenheit sei es ihm wegen der zahlreichen Besucher nahezu unmöglich gewesen, seine Wohnung zu verlassen bzw. zu betreten. Sein ursprünglicher Antrag richtete sich auch gegen Lärmbelästigungen und Verunreinigungen durch Teilnehmer des Geschehens. 

In der mündlichen Verhandlung schränkte der Kläger sein Begehren auf die Ermöglichung des Zugangs zu seiner Wohnung durch Notfallkräfte ein. Er richtete seine Klage sowohl gegen den in versammlungsrechtlicher Hinsicht zuständigen Polizeipräsidenten als auch gegen das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin, das in der Vergangenheit Sondernutzungserlaubnisse, z.B. für Straßenverkäufe, erteilt hatte.

Eilverfahren gegen Genehmigung ist vorrangig

Das Verwaltungsgericht hielt die Klage für unzulässig, da der Kläger sich mit seinem Begehren nicht vorab an den Polizeipräsidenten oder an das Bezirksamt gewandt habe. Soweit er schon jetzt ein Einschreiten verlange, stelle dies vorbeugenden Rechtsschutz dar. Dieser unterliege aber engen Voraussetzungen, die hier nur vorlägen, wenn der Kläger nicht anderweitig - insbesondere durch ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren gegen die Genehmigung der Veranstaltung - effektiven Rechtsschutz erlangen könne. Wenn die Veranstaltung konkreter werde, habe der Kläger noch hinreichend Zeit, seine Belange behördlich und ggf. gerichtlich geltend zu machen. Damit komme die Klage insgesamt zu früh. Gegen das Urteil kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG Berlin-Potsdam beantragt werden. 

Der Rechtsschutz gegen derartige Veranstaltungen ist ein juristischer Dauerbrenner. Anwohner fühlen sich – angesichts der für Sie mit diesen Veranstaltungen verbundenen Einschränkungen – oftmals gestört. Auch vor dem Hintergrund, dass aus deren Sicht effektiver Rechtsschutz nur im Vorfeld sinnvoll erscheint, scheitern derartige Ansinnen aber meist am für eine sog. vorbeugende Leistungsklage notwendigen qualifizierten Rechtsschutzinteresse.

Anwohner haben öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch

Dieses liegt nur dann vor, wenn die Gewährung nachträglichen Rechtsschutzes ausnahmsweise nicht als angemessen und ausreichend anzusehen ist. Einem Kläger muss es nicht zumutbar sein, alle Jahre wieder gegen einzelne Veranstaltungen und die hierfür erteilten Sondernutzungserlaubnisse/Ausnahmegenehmigungen vorzugehen, zumal, wenn mit Blick auf die regelmäßig kurzzeitige Erledigung entsprechender Verwaltungsakte ein effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet werden kann. Problematisch ist dabei aber, dass eben dieses Interesse regelmäßig entfällt, wenn die Möglichkeit besteht, im Vorfeld Besserungen der Situation zu erlangen, notfalls im sog. Eilverfahren gegen bereits erteilte Genehmigungen.

Hinzuweisen ist auch darauf, dass ein Anwohner regelmäßig einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch darauf hat, dass bei zukünftigen Veranstaltungen, z.B. in Sondernutzungserlaubnissen/Ausnahmegenehmigungen den Veranstaltern Lärmschutzauflagen gemacht werden. Ein entsprechender Abwehranspruch ist aus Art. 2 S. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, §§ 1004906 BGB analog oder einem öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch allgemein anerkannt, wenn ein Anlieger/Anwohner durch behördlicherseits zugelassene und nicht unterbundene Lärmentwicklungen in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. 

Jan Kuhlmann

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Erster Beigeordneter a.D.

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