Das Verwaltungsgericht München hat im Beschluss vom 28.11.2023 – Aktz. M 3 E 23.4371 – darüber zu entscheiden gehabt, ob eine im Rahmen der Bewerbung für einen Masterstudiengang zu erstellende Leistung, hier Erstellung eines Essays, mit dem Argument und dem Verweis auf den Verdacht der Erstellung durch Künstliche Intelligenz abgelehnt werden kann. Der Bewerber hat, nachdem die Hochschule (TUM München) den Zugang verwehrt hat im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzantrages die vorläufige Zulassung zum Masterstudiengang beantragt. Das Gericht hat den Antrag abgelehnt und dem Studienbewerber die Kosten des Verfahrens auferlegt.
KI als Täuschungsversuch
Tragend für die Entscheidung war nach Ansicht der Richter, dass eine Studienleistung (hier ein im Rahmen der Zulassungsordnung vorgeschriebenes Essay) beim Verdacht auf eine Täuschung geeignet ist, eine Ablehnung des Hochschulzugangs zu rechtfertigen. Die hier im Rahmen der Durchführung dieses Eignungsverfahrens erbrachte Leistung sei grundsätzlich unter Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis zu erstellen. Es ging inhaltlich um ein in englischer Sprache abgefasstes Essay von mindestens 1.500, maximal 2.000 Wörtern. Die Richter sahen hier im konkreten Fall einen Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis deshalb, weil das eingereichte Essay entgegen der vom Antragsteller abgegebenen Erklärung ganz oder in Teilen nicht von diesem selbst erstellt worden ist. Er habe eine selbständige Leistung nur vorgespielt, während er in Wahrheit unerlaubte Hilfe bei Erfassung des Essays in Anspruch genommen habe. Tragend sei, auch wenn die Beweislast für die Pflichtverletzung bei der Hochschule liege, dass es nach Ansicht des Gerichtes feststand, dass das Essay sich auffällig von denen der anderen Bachelorabsolventen und von dem vom Antragsteller im Vorjahr abgegebenen Essay unterscheide und zugleich Merkmale aufgewiesen habe, die für durch Künstliche Intelligenz erstellte Texte typisch seien.
KI hat die Arbeit des Studenten zu gut gemacht
Kurios war in der Entscheidung, dass die Antragsgegnerin selber mittels ChatGPT einen Text erstellt hat und diesen dann mit dem vom Antragsteller erstellten Text verglichen hat. Anhand einer Überprüfungssoftware erkannte die Antragsgegnerin, dass ein erheblicher Regelverstoß vorliege. Denn die Kürze und Inhaltsdichte der Sätze und Abschnitte steche geradezu ins Auge. Die Arbeit sei kürzer, enthalte jedoch alle relevanten Aspekte. Es fehlten die für Bachelorabsolventen typischen verschachtelten Sätze und die Überlänge. Hier zeige sich die besondere Fähigkeit der Künstlichen Intelligenz, die darin liege, Inhalte komprimiert darzustellen. Zudem bemängelten die Prüfer, dass die Arbeit in geschliffenem Englisch und frei von Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehlern abgefasst worden sei. All dies spreche zusammen mit den vergleichbaren Texten von ChatGPT für die Nutzung einer KI.
KI schlägt Student
Das Gericht schloss sich dieser Auffassung an und führte aus, dass den typischen Schwächen der Studierenden die Stärke der Künstlichen Intelligenz entgegenstehe. Auch der Einwand des Antragstellers, ihm werde vorgeworfen, dass er zu gut sei, ließ das Gericht nicht gelten. Insofern hat das Gericht ermittelt, dass eine Reihe von Auffälligkeiten im Vergleich zu Arbeiten anderer Bachelorabsolventen vorläge und es sei nach Auffassung des Gerichtes auch so, dass die Prüfer diese Auffälligkeiten konkret benennen könnten. Mit diesen Auffälligkeiten sei die vom Antragsteller eingereichte Arbeit nicht vergleichbar. Arbeiten Studierender enthielten selbst bei intensiver Betreuung gewisse Brüche in Struktur und Logik, die bei dem streitgegenständlichen Essay aber fehlten. Den Aussagen der Prüfer sei auch ein hohes Maß an Beweiskraft zuzubilligen, denn diese seien als Wissenschaftler erfahren mit dem Lesen und Verfassen wissenschaftlicher Texte und damit auch vertraut mit den Schwierigkeiten der prägnanten Formulierung komplexer Sachverhalte. Ihrer Beobachtung, dass das Essay ein außergewöhnliches Maß an Inhaltsdichte aufweise, das selbst für erfahrene Wissenschaftlicher nicht ohne Weiteres erreichbar ist, komme daher erhebliches Gewicht zu.
Da auch ansonsten keine weitergehenden Entlastungsmöglichkeiten für den Antragsteller bestanden, hat das Gericht seinen Antrag auf Zulassung zum Eignungsverfahren kostenpflichtig abgewiesen.
Kurios oder Folgerichtig?
Die Entscheidung mag auf den ersten Blick kurios anmuten. Sie beschreibt aber nachvollziehbar und prägnant die Problematik, die die Nutzung von KI mit sich bringen. Die heutigen Systeme sind so leistungsfähig, dass sie inhaltlich und sprachlich ein hohes Maß an Kompetenz zeigen. Hierin liegt aber eben auch die Schwäche dieser Systeme, denn ihr sind menschliche Fehler fremd. Dass ein Gericht an dieser Stelle im Rahmen einer Prüfung aber genau diese menschlichen Unzulänglichkeiten als Beleg für einen Täuschungsversuch ansieht, ist maßstabsbildend und wird in der Rechtsprechung sicherlich noch für einige Diskussion sorgen. Täuschungsversuche begleiten uns als Verwaltungsrechtler relativ oft. Die typischen Fällen sind dabei auch durch Hilfsmittel geprägt. Das Hilfsmittel der Künstlichen Intelligenz ist allerdings neu und eröffnet eben auch ganz andere Möglichkeiten. Inwiefern hier in der Zukunft klare Regeln entstehen, wie sie zwischenzeitlich z.B. bei Plagiaten durch die Rechtsprechung entwickelt worden sind, bleibt abzuwarten. Eine Argumentation, die allerdings allein darauf abhebt, dass die Leistung eigentlich zu gut ist und insofern der Student dies typischerweise nicht in dieser Brillanz liefern kann, ist allerdings rechtlich sicherlich angreifbar und bedarf guter Begründung.
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