Terrasse und Garage - was ist auf der Grenze erlaubt?

Im Rahmen eines von hier aus vertretenen Rechtsstreites hat das OVG Lüneburg erstmalig entschieden, wie mit Terrassen auf grenzständig errichteten Garagen umzugehen ist. Bekanntlich sind Garagen nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 NBauO privilegiert und können deshalb bis zu einer Höhe von 3 m und einer Länge von 9 m ohne Abstand zur Grenze zum Nachbarn errichtet werden.

Die hier relevante Frage betraf eine Terrasse, die auf dieser Garage errichtet wurde, deren bauliche Gestaltung aber so gewählt war, dass die Abstandsfläche zum Nachbargrundstück auf dem Garagendach eingehalten war. Der Bauherr hatte auf der Garage in 3 m Abstand von der Grenze eine großflächige Terrasse errichtet, durch die sich die Nachbarn dennoch gestört fühlten.

Terrasse auch auf Garage zulässig

Das OVG Lüneburg führt hierzu aus, dass verschiedene Obergerichte annähmen, ein Garagengebäude sei nur dann abstandsrechtlich mit der Möglichkeit grenzständiger Errichtungen privilegiert, wenn diese ausschließlich zum Unterstellen von Kraftfahrzeugen oder in ähnlicher Weise genutzt werde. Solle das Gebäude - und sei es auch außerhalb des Abstandsbereiches - daneben andere Funktionen erfüllen, insbesondere als Sockel für eine Dachterrasse auf dem benachbarten Wohnhaus dienen, dürfe diese nicht mehr das Abstandsprivileg in Anspruch nehmen. Die nachträgliche Aufbringung einer Dachterrasse stelle eine Nutzungsänderung dar, welche dem Garagengebäude selbst die bisherige Identität nehme, vergl. OVG Münster, Beschluss vom 23.11.2017 - 2 B 1289/17, Beschluss vom 22.04.2004 - 10 B 828/04, Bayrischer VGH, Beschluss vom 21.11.2006 - 15 CS 06.2862, OVG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2009 - 10 S 30.09.

Dieses "Alles-oder-Nichts-Prinzip" werde zu Weilen gemindert, wenn es sich um die nachträgliche Errichtung eines Balkones auf einem Garagendache handle. Dann soll in Betracht kommen, die neue Baumaßnahme nicht als Änderung des Garagengebäudes anzusehen, sondern isoliert zu betrachten, vergl. OVG Münster, Beschluss vom 16.05.2014 - 2 A 222/14.

Andere Obergerichte ließen die Teilprivilegierung der grenzständigen Garage nicht entfallen, wenn sich die Nutzung ihres Daches nur auf den abstandsrechtlich irrelevanten Bereich beschränke, vergl. OVG Saarland, Beschluss vom 31.05.2007 - 2 A 189/07, VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.05.1995 - 8 S 369/95.

Alles-oder-Nichts-Prinzip gilt für Niedersachsen nicht

Das OVG Lüneburg hat zunächst nun klargestellt, dass nach § 2 Abs. 10 NBauO als Garage, an die das Privileg zu § 5 Abs. 8 S. 2 Nr. 1 NBauO anknüpft, auch Gebäudeteile anzusehen seien. Soweit die Garagen den Grenzabstand einhalten, seien diese auch weiterhin zulässig. Deshalb seien auch auf begünstigten Garagen Dachterrassen zulässig, ohne dass diese Gebäude selbst ihre Privilegierung verlören. Das öffentlich-rechtliche nachbarschutzbegründende Synallagma bestehe nur darin, dass jeder Nachbar die Beschränkung einhält, die der Gesetzgeber für den als abstandsrelevant definierten Bereich bestimmt. Selbst wenn der Gesetzgeber daher Grundflächenhöchstgrenzen für abstandsrelevante Anlagen bestimme, kann der Nachbar nur die Einhaltung der grenzständigen Länge, Höhe, Fläche und des dort entfaltenden Nutzungszweckes reklamieren, soweit dies im 3-Meter-Korridor stattfindet. Ab dort ist zwar noch die Gebäudehöhe nachbarrechtsrelevant, nicht aber mehr der Nutzungszweck der Anlage.

Terrasse zulässig

Deshalb lassen die §§ 2 Abs. 10 und 5 Abs. 8 S. 2 Nr. 1 NBauO außerhalb des 3m-Abstandsbereiches auch andere Nutzungszwecke zu, ohne dass das Abstandsprivileg entfiele, wenn diese Bereiche eindeutig voneinander getrennt werden können. Dies sei bei einer Garage mit der Überbauung durch eine Terrasse der Fall. Liege eine optische und funktionale Separierung vor, könne der Bauherr deshalb auch auf privilegierten Gebäuden oder Gebäudeteilen solche Nutzungen vornehmen, die selbst der Privilegierung nicht entsprächen.

Klare Rechtslage

Das OVG Lüneburg hat damit eine bisher noch nicht entschiedene, in der Praxis aber häufig anzutreffende, Situation rechtlich geklärt.

Gerade in engen Neubaugebieten werden Garagen oftmals multifunktional genutzt, sowohl was die Garage selber angeht als auch was die Bereiche angeht, die oberhalb der Garage liegen.

Für diese Nutzungen steht nun fest, dass diese, so sie nicht in der 3m-Abstandsfläche liegen, grundsätzlich zulässig sein dürften.

Es ist aber bei Bauvorhaben darauf zu achten, eine funktionale und optische Trennung vorzunehmen.

In dem von uns vertretenen Fall war es so, dass der Bauherr eine entsprechende Brüstung auf der Garage errichtet hatte und somit die Terrasse auch funktional so begrenzt hat, dass die Nutzer nicht auf den im Grenzbereich liegenden Teil der Garage treten konnten.

Dies war vom OVG akzeptiert worden.

OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 08.05.2018 - 1 ME 55/18 und 1 ME 54/18, Vorinstanz Verwaltungsgericht Osnabrück

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