Vergaberecht: EuGH; Urt. v. 21.3.2019 Rs. C 266/17 und 267/17

Direktvergaben nach VO 1370 erfordern Dienstleistungskonzession
– Entscheidende Rechtsfrage für Vergabenachprüfungsverfahren im Ilm Kreis nicht beantwortet

Mit dem Urteil vom 21.3.2019 in den Rechtssachen C-266/17 und C-267/17 hat der Europäische Gerichtshof ausschließlich die erste Vorlagefrage des Oberlandesgerichts Düsseldorf betreffend der beabsichtigten Direktvergabe des Rhein-Sieg-Kreises und des Kreises Heinsberg beantwortet. Auf die weiteren, für die Praxis ebenfalls bedeutsamen Vorlagefragen ist der EuGH nicht eingegangen, sondern hat diese offen gelassen.

Direktvergaben nach der VO 1370 erfordern zwingend eine Dienstleistungskonzession

Die erste Vorlagefrage des Oberlandesgerichts Düsseldorf zielte darauf ab, ob für die Anwendung der Direktvergabemöglichkeit nach Art. 5 Abs. 2 VO 1370 zwingend eine Dienstleistungskonzession erforderlich ist, oder ob die Anwendung der Verordnung als “lex specialis“ für ÖPNV-Direktvergaben stets anzuwenden ist.

Letzterer Auffassung erteilte der EuGH eine Absage und stellte fest, dass für eine Direktvergabe an einen internen Betreiber nach Art. 5 Abs. 2 VO 1370 stets eine Dienstleistungskonzession erforderlich sei. Nur Verträge, welche die Form einer Dienstleistungskonzession annehmen, können nach der VO 1370 direkt vergeben werden. Hingegen unterliegen Verträge, die als Dienstleistungsauftrag zu qualifizieren sind, dem Vergaberegime der Richtlinien 2004/17 und 2004/18, bzw. den Nachfolgerichtlinien 2014/24 und 2014/25.

Direktvergabe von Dienstleistungskonzessionen richten sich daher ausschließlich nach den Regelungen der VO 1370. Ein Rückgriff auf die Direktvergabe nach den Vergaberichtlinien 2014/24 und 2014/25 (Inhouse-Vergaben nach § 108 GWB) ist nur dann möglich, wenn der Anwendungsbereich dieser Richtlinien eröffnet ist.

Weitere Vorlagefragen offengelassen

Das Urteil des EuGHs lässt für die Praxis entscheidende Rechtsfragen offen.

So hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf weitere Fragen zu speziellen Direktvergabevoraussetzungen vorgelegt, etwa zum Kontrollkriterium, zum Tätigkeits- und Wettbewerbsverbot und zum Zeitpunkt, zu welchem die Voraussetzungen für eine Direktvergabe nach Art. 5 Abs. 2 VO 1370 vorliegen müssen.

Diese, in vielen rechtshängigen Vergabenachprüfungsverfahren und in zukünftigen Verfahren, streitigen Rechtsfragen konnte der EuGH sämtlich offenlassen, weil sie für den konkret entschiedenen Fall aufgrund der Antwort auf die erste Vorlagefrage nicht mehr entscheidungserheblich waren.

Maßgebliche Frage für die Zulässigkeit der Direktvergabe im Ilm-Kreis bleibt unbeantwortet

Für das vor dem Oberlandesgericht Jena derzeit ruhend gestellte Vergabenachprüfungsverfahren der RBA Regionalbus Arnstadt GmbH gegen den Ilm Kreis sind die Vorlagefragen Nr. 4, bzw. Nr. 6 entscheidungserheblich, welche der EuGH jedoch (noch) nicht beantwortet hat. Das OLG Jena wird daher diese Fragen erneut dem EuGH vorlegen müssen.

Denn das Oberlandesgericht Jena hatte das Verfahren wörtlich aus folgenden Gründen ausgesetzt:

“Die vom EuGH aufgrund der Vorlage des OLG Düsseldorf (RS. C-266/17 und C-267/17) zu entscheidende Frage hinsichtlich des Vorliegens der Direktvergabevoraussetzungen in zeitlicher Hinsicht ist vorgreiflich für das laufende Verfahren, da der zu vergebende öffentliche Dienstleistungsauftrag bislang nur als wenig ausgearbeiteter Entwurf vorliegt. Sofern dies auf dies aufgrund der Interpretation der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 als nicht genügend anzusehen ist, führt dies zwangsläufig zu einer Begründetheit der zulässigen Beschwerde […].“

Das OLG Jena führt damit aus, dass die sofortige Beschwerde der RBA zwangsläufig Erfolg hätte, sofern der EuGH entscheidet, dass die Voraussetzungen der Direktvergabe bereits zum Zeitpunkt der Vorabinformation vorliegen müssen.

Die Frage zum Zeitpunkt des Vorliegens der Direktvergabevoraussetzungen hat der EuGH nunmehr aber bedauerlicherweise ausdrücklich offengelassen.

Das Oberlandesgericht Jena wird daher gehalten sein, diese Rechtsfrage selbst dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 268 AEUV vorzulegen, weil es diese Auslegung der VO 1370 selbst für entscheidungsrelevant hält. Sollte es das Vorliegen der Voraussetzungen der Direktvergabe erst zu einem späteren Zeitpunkt als der Vorinformation nach Art. 7 Abs. 2 VO 1370 für erforderlich halten, wäre das Oberlandesgericht Jena sogar gezwungen, diese Rechtsfrage nach § 179 Abs. 2 GWB dem Bundesgerichtshof vorzulegen, weil es hiermit von der Entscheidung des OLG Frankfurt vom 10.11.2015 – 11 Verg 8/15 abweichen würde. Dieses hatte entscheiden, dass bereits zum Zeitpunkt der Vorinformation nach Art. 7 Abs. 2 VO 1370 die tragenden Gründe der Direktvergabe zu dokumentieren sind.

Bei Fragen zu diesem Artikel wenden Sie sich gerne an Fachanwälte für Verwaltungsrecht und Fachanwälte für Vergaberecht

Dr. Sebastian Roling und Till Martin

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