Vertragsanpassung im gewerblichen Mietrecht aufgrund von Corona

Am 12.01.2022 entschied der BGH über die Frage, ob eine Mietpartei gewerblich genutzter Räume für die Zeit einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung während der Corona-Pandemie zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21).

Die Rechtsprechung der Instanzgerichte

Die im Rahmen der ersten Corona-Welle ergangene Rechtsprechung verneinte weit überwiegend ein Mietminderungsrecht des gewerbetreibenden Mieters mit der Begründung, das Verwendungsrisiko der Mietsache läge ausschließlich beim Mieter und könne nicht auf den Vermieter abgewälzt werden, sodass die Pflicht zur vollständigen Mietzahlung während der Auswirkungen der Pandemie aufrechterhalten bliebe (LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 - 5 O 66/20; LG Zweibrücken, Urteil vom 11.09.2020 - HK O 17/20; LG Frankfurt, Urteil vom 02.10.2020 - 2-15 O 23/20; LG Stuttgart, Urteil vom 19.11.2020 - 11 O 215/20).

Politisch wurde dem jedoch entgegengewirkt. Die vom Bundestag beschlossene und am 31.12.2020 in Kraft getretene Regelung zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) lautet:

„Artikel 240 § 7 EGBGB Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.“.

Dem Gewerbemieter wurde hierdurch mehr Verhandlungsspielraum eröffnet. Das OLG Karlsruhe setzte sich im Urteil vom 24.02.2021 (Az. 7 U 109/20) hiermit auseinander, entschied jedoch, dass auch diese neue Norm keinen pauschalen Anspruch auf Vertragsänderung begründe, sondern nur im Einzelfall. Dort heißt es:

„3. Zutreffend hat das Landgericht auch gesehen, dass vorliegend eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommt. […] Dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, wird nun „grundsätzlich“ vermutet, wobei Unsicherheiten beseitigt und die außergerichtliche Verhandlungsposition des Gewerberaummieters gestärkt werden sollte (BT-Drucks. 19/25322 S. 14/ 15). Art. 240 § 7 EGBGB schafft eine tatsächliche Vermutung, dass sich ein Umstand im Sinn des § 313 Abs. 1 BGB, der Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach dem Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Die Vermutung ist widerleglich und gilt nur für dieses reale Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB (BT-Drucks. 19/25322 S. 20). Das normative Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB, dass dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, wird von der Vermutungsregelung nicht erfasst (BT-Drucks. 19/25322 S. 21). […] Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. § 313 BGB gewährt keine Überkompensation (BT-Drucks. 19/25322 S. 21).“.

Das OLG Dresden setzte diese Rechtsprechung im Urteil vom 24.02.2021 (Az. 5 U 1782/20) fort und ging einen Schritt weiter. Dabei entschied das Gericht, dass zwar kein Mangel im Sinne von § 536 BGB vorliege, jedoch eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Konkret vermutete das Gericht, dass eine staatliche Schließungsanordnung, wenn sie über einen Monat andauert, dazu führt, dass die vertraglich vereinbarte Kaltmiete für den Zeitraum der Schließungsanordnung regelmäßig auf die Hälfte reduziert wird.

Die Entscheidung des BGH

Dieser pauschalen Betrachtungsweise erteilte der BGH eine Absage. Die Leitsätze der Entscheidung lauten:

„1. Die durch die COVID-19-Pandemie bedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts führt nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise unmöglich.
2. Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht.
3. Bei der Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise. Maßgeblich sind vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls. Daher sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat.“.

Eine einheitliche Regelung wird damit in Art. 240 § 7 EGBGB nicht geschaffen. Auch lehnt der BGH eine widerlegbare Vermutung einer bestimmten Minderungshöhe im Rahmen der Vertragsanpassung nach § 313 BGB ab. Dies wird dazu führen, dass jeder Sachverhalt, jede Konstellation einzeln betrachtet und bewertet werden muss.

Ob Ihre gewerblichen Mieter zu Unrecht die Miete gemindert haben, prüft Ihnen:

Nils Gerloff

Nils Gerloff
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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