Immer wieder kommt es, nicht nur vor Zivilgerichten, sondern in jedem Zweig der Gerichtsbarkeit, zu Streit dazu, ob bestimmte Schreiben, Schriftstücke, Urkunden etc. zugegangen sind. Häufig geht es um einseitige Willenserklärungen, mit denen bestimmte Rechtsfolgen eintreten sollen, wie beispielsweise die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder sonstigem Rechtsverhältnis. Häufig entsteht dann Streit zur Frage, ob ein derartiges Schriftstück überhaupt oder aber in der notwendigen Form, die vereinbart oder gesetzlich vorgeschrieben sein kann, zugegangen ist.
Eingeschriebener Brief gem. § 21 Abs. 1 S. 2 GmbHG
In einem speziellen Fall mit gesellschaftsrechtlichem Hintergrund hatte der zweite Senat des Bundesgerichtshofes, zuständig auch für das Gesellschaftsrecht, zu entscheiden, ob eine nach gesetzlicher Vorgabe notwendige Zahlungsaufforderung per eingeschriebenem Brief erfüllt worden ist, insbesondere hierfür auch eine Versendung per Einwurf-Einschreiben statt Übergabe-Einschreiben genügt.
Vergleich Übergabe-Einschreiben und Einwurf-Einschreiben
Mit Urteil vom 27. September 2016 hat der BGH zum Aktenzeichen II ZR 299/15 Anlass gesehen, über etliche Seiten die Zustellformen einer Übersendung per Übergabe-Einschreiben und Einwurf-Einschreiben zu vergleichen. Im Ergebnis ist der Bundesgerichtshof zur Einschätzung gelangt, auch ein Einwurf-Einschreiben, das erst 1997 eingeführt worden ist, entspräche der gesetzlichen Voraussetzung eines "eingeschriebenen Briefes" nach § 21 Abs. 1 S. 1 GmbHG. Entsprechende Regelung ist bereits seit 1892 gesetzlich eingeführt, damals gab es nur das Übergabe-Einschreiben. Auf dieser Grundlage stellte sich für den BGH, anders als noch für die Vorinstanz, die Rechtsfrage, ob denn auch ein tatsächlich verschicktes Einwurf-Einschreiben mit Aufforderung zur Einzahlung des Stammkapitals ein "eingeschriebener Brief" im Sinne der gesetzlichen Regelung ist, der dann nachfolgend im Weiteren nach verstrichener Frist auch den Ausschluss des Gesellschafters rechtfertigen kann.
Meinungsstreit im Schrifttum
Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum wurde diese Frage durchaus kontrovers diskutiert, auch mit Verweis auf die verwaltungsrechtliche Zustellregelung in § 4 Abs. 1 VwZG, dort ist klargestellt, dass Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG für eine förmliche Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz nicht genügen.
Der BGH hat über mehrere Seiten dann mit den maßgeblichen Auslegungsmethoden begründet, warum nach seiner Auffassung die gesetzliche Forderung nach einem eingeschriebenen Brief in § 21 Abs. 1 S. 2 GmbHG durch ein Einwurf-Einschreiben erfüllt sei. Die gesetzlich bezweckte Sicherung des Zugangs werde bei der Verwendung eines Einwurf-Einschreibens der Deutschen Post AG ebenso gut gewährleistet, wie bei der Übermittlung der Zahlungsaufforderung mit einem Übergabe-Einschreiben.
Zugang und Beweislast
Über die Feststellungen des BGH hinaus zur ausreichenden Form eines Einwurf-Einschreiben dürfte die Entscheidung weitergehende Bedeutung haben, denn der BGH hat auch festgestellt, dass bei Einhaltung des vorgesehenen Zustellverfahrens und Vorlage eines Einlieferungsbeleges sowie einer Kopie des Auslieferungsbeleges der Schluss gerechtfertigt sei, dass die eingelieferte Sendung tatsächlich in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist. Daher streite für den Absender beim Einwurf-Einschreiben nach Vorlage des Einlieferungsbeleges zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbeleges der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten auch zugegangen ist. Damit dürfte bei Beachtung der vorbezeichneten Vorgaben für die Praxis hinreichend feststehen, dass bei einer Versendung per Einwurf-Einschreiben, bei einer der Versender beispielsweise einer Kündigung ausreichend nachweisen kann, dass seine Kündigung auch tatsächlich zugegangen ist, sofern ein Einlieferungsbeleg und die Kopie des Auslieferungsbeleges zum Schriftstück vorgelegt werden können. Dann streitet jedenfalls, auch ohne öffentliche Urkunde, ein Beweis des ersten Anscheins für den tatsächlichen Zugang, der vom Empfänger kaum zu widerlegen sein dürfte.