Arbeitsrecht: Schadenersatz wegen Ermittlungskosten bei Verdacht schwerwiegender Pflichtverletzungen

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.04.2021, 8 AZR 276/20, die Klage einer Arbeitgeberin letztinstanzlich abgewiesen, in der Berufungsinstanz war der Arbeitgeberin dagegen noch Schadenersatz in Höhe von immerhin 66.500,00 EUR zugesprochen worden.

Im Streit stand ursprünglich die Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers zu einer außerordentlichen Kündigung wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen, unter anderem der Annahme von Schmiergeldern sowie wegen Spesenbetruges. Die Arbeitgeberin hat im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses Widerklage erhoben.

Widerklage des Arbeitgebers wegen Schadenersatz

Mit dieser Widerklage verfolgte die Beklagte die Erstattung von Ermittlungskosten, die die Arbeitgeberin geltend machte. Bei der Arbeitgeberin waren zuvor mehrfach Meldungen zu schwerwiegenden Pflichtverletzungen des beschäftigten Arbeitnehmers, einer Führungskraft mit einem mittleren sechsstelligen Jahresgehalt, eingegangen. Die Beklagte beauftragte eine in diesem Bereich spezialisierte Anwaltskanzlei mit der Durchführung von Ermittlungen zu möglichen Compliance-Verstößen. Der Arbeitgeberin entstanden hierfür Kosten in Höhe von insgesamt mehr als 200.000,00 EUR. Aus dem Untersuchungsbericht der Kanzlei ergab sich, dass der Kläger Personen ohne dienstliche Veranlassung zu Restaurantbesuchen auf Kosten der Beklagten ebenso eingeladen hat, wie auch private Besuche von Champions-League-Spielen. Teilweise erhielt der Kläger Tickets für derartige Spiele auch auf Anforderung von Geschäftspartnern der Arbeitgeberin.

Die Arbeitgeberin kündigte fristlos, hilfsweise ordentlich, die dagegen vom Kläger erhobene Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Widerklagend beanspruchte die Arbeitgeberin den Ersatz der ihr in Rechnung gestellten Ermittlungskosten.

§ 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG versus Schadenersatz

Das Bundesarbeitsgericht hat festgehalten, dass der arbeitsrechtlich geregelte Ausschluss der Kostenerstattung gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG, der prozessuale und grundsätzlich auch materielle Kostenerstattungsansprüche ausschließt, einem Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers nicht in jedem Fall entgegensteht. Ein Arbeitgeber könne grundsätzlich vom Arbeitnehmer die Erstattung notwendiger Kosten ersetzt verlangen, wenn er Dritte mit der Aufklärung eines konkreten Verdachtes zu einer erheblichen, schwerwiegenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers beauftragt, der Arbeitnehmer dann auch einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Liegt, so das BAG, ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers vor, gehören auch die zur Abwendung drohender Nachteile notwendigen Aufwendungen des Geschädigten zu den nach § 249 BGB zu ersetzenden Schäden.

Grenzen der Ersatzpflicht nach § 249 BGB im Arbeitsverhältnis

Die Bestimmung des in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG steht einem Schadenersatzanspruch bei einer vorsätzlichen und schwerwiegenden Pflichtverletzung in diesem Fall nicht entgegen, ist allerdings der Höhe nach auf das beschränkt, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung als zweckmäßig sowie insbesondere erforderlich ansehen durfte.

Auf dieser Grundlage wies das Bundesarbeitsgericht die Widerklage des Arbeitgebers letztendlich mit der Feststellung ab, die Arbeitgeberin hätte nicht ausreichend konkret dargelegt, welche konkreten Tätigkeiten und Ermittlungen wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchem konkreten Verdacht gegen den Kläger von der beauftragten Anwaltskanzlei durchgeführt wurden.

Damit blieb der Arbeitgeberin letztendlich zwar die Genugtuung der rechtskräftigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Schadenersatz wurde der Arbeitgeberin allerdings versagt, aus genannten Gründen.

Arbeitgeber muss Verdacht, Maßnahmen und Kosten genau dokumentieren

Ein Arbeitgeber wird sich regelmäßig sehr gut überlegen müssen, ob er beispielsweise eine Anwaltskanzlei oder aber auch eine Detektei mit aufwendigen Ermittlungen zu angenommenen Pflichtverletzungen beauftragt. Es bedarf insoweit jedenfalls mindestens schwerwiegender Verdachtsmomente für erhebliche und schuldhafte Pflichtverletzungen, die geeignet sein müssen, den Arbeitgeber zur außerordentlichen oder jedenfalls ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu berechtigen. Auch in diesem Fall wird es für die Durchsetzung möglicher Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers dann aber auch noch darauf ankommen, dass der Arbeitgeber penibel darlegen kann, welche Maßnahmen beispielsweise von einer Detektei wegen welchem konkreten Verdacht wann mit welchem Umfang und zu welchen Kosten durchgeführt worden sind.

Das Bundesarbeitsgericht hat ersichtlich einen besonders strengen Maßstab an die Erforderlichkeit diesbezüglicher Kosten und vor allem die Substantiierung der Erforderlichkeit angelegt, möglicherweise als Korrelativ für die ausnahmsweise Durchbrechung des Grundsatzes aus § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG, wonach eine Kostenerstattung der Parteien untereinander ausgeschlossen ist. Auch künftig wird Ersatz von Ermittlungskosten daher nur unter engen Voraussetzungen durchsetzbar sein, bedarf daher umso mehr sorgfältiger Vorbereitung, Dokumentierung und Darlegung im Prozess.

 

 

Rechtsanwalt Christoph Schürmann

Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Kontakt

Kanzlei Roling & Partner
Schloßstr. 20a
49074 Osnabrück

Telefon: 0541 / 6 00 63 - 0
Telefax: 0541 / 6 00 63 - 22
E-Mail: info(at)roling-partner.de

Unsere Öffnungszeiten:

Mo-Do08:00 - 13:00 Uhr
14:00 - 18:00 Uhr
Fr 08:00 - 13:00 Uhr
14:00 - 17:00 Uhr

mehr

click
to
open