Kostenexplosion am Bau – Die Folgen der Corona-Krise

Der Umgang mit den Einschränkungen der Corona-Krise am Bau ist Alltag geworden. Nunmehr tut sich jedoch ein neues Problem mit weitreichenden Folgen auf. Das Baumaterial wird knapp. Dasjenige Material, welches noch zu kaufen ist, wird immer teurer. Auftraggeber und Auftragnehmer setzen sich immer häufiger darüber auseinander, welche Partei die Mehrkosten zu tragen hat. Wie dies rechtlich einzuschätzen ist, beleuchtet der folgende Artikel.

pacta sunt servanda

Der Grundsatz ist dabei, dass beide Vertragsparteien an den Vertrag gebunden sind. Dieser ist zunächst einmal maßgeblich. Das Risiko der Kostenerhöhung wird daher per Grundsatz in den häufigsten Fällen den Auftragnehmer treffen. Eine Ausnahme ergibt sich meistens nur dann, wenn der Vertrag eine entsprechende Preisgleitklausel vorsieht. Dies wird im Verbraucherbauvertrag jedoch selten der Fall sein.

Kündigung aus wichtigem Grund

Als Ausnahme von diesem Grundsatz sieht § 648a BGB ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund für beide Vertragsparteien eines Werkvertrages vor. Hierunter fällt auch ein Verbraucherbauvertrag nach §§ 650i ff. BGB. Dort heißt es:

„Beide Vertragsparteien können den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann.“.

Der Kündigungsgrund muss allerdings aus der Sphäre des Kündigungsempfängers stammen. Die allgemeine Preissteigerung für Baumaterial ist jedoch nicht durch den Auftraggeber verursacht. Eine Kündigung des Vertrages wird in den meisten Fällen nicht möglich sein.

Störung der Geschäftsgrundlage

Damit bleibt dem Auftragnehmer nur die Möglichkeit der Vertragsanpassung in Fällen der sog. Störung der Geschäftsgrundlage. Diese ist in § 313 BGB geregelt. Auch hier gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen (§ 313 Abs. 3 BGB), wobei die Regelung subsidiär zu § 648a BGB ist und daher kaum Anwendungsbereich finden wird.

Die Erhöhung von Material- oder Lohnkosten, wird neben der Erhöhung des Aufwandes den Hauptanwendungsfall des § 313 Abs. 1 BGB beim Bauvertrag darstellen. Jedoch ist auch hier eine Abänderung des vereinbarten Preises nur möglich, wenn die sogenannte Opfergrenze für eine Partei so deutlich überschritten ist, dass die Vergütung unter Berücksichtigung der veränderten Umstände in keinem vertretbaren Verhältnis zur Gegenleistung mehr steht.

Preisanpassung im Pauschalpreisvertrag

Die Vereinbarung eines Pauschalpreises schließt dabei in aller Regel eine Erhöhung der Vergütung auch im Falle allgemeiner Kosten- und Lohnerhöhungen aus, es sei denn, die Parteien haben in diesem Fall ausdrücklich etwas anderes vereinbart. Dies entschied der Bundesgerichtshof bereits 1965 (BGH, NJW 1965, S. 82 ff.). Das Risiko von Preis- und Lohnsteigerungen während der Bauzeit trägt also in diesen Fällen der Auftragnehmer, da er bei einer entsprechenden Preisvereinbarung das Risiko der künftigen Preisentwicklung bewusst eingeht.

Wann die sog. Opfergrenze erreicht bzw. überschritten ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Bei Mengenabweichungen wird teilweise in der Rechtsprechung der Instanzgerichte eine Grenze von 20 % Mehraufwand angenommen. Dies lehnt der BGH jedoch ab, sondern verweist auf die Notwendigkeit der Einzelfallentscheidung (BGH, BauR 2013, S. 1116 ff.). Ob dies auf den Fall der Kostensteigerung übertragbar ist, dürfte derzeit nicht abschließend geklärt sein. Das OLG Düsseldorf lehnte einen Anpassungsanspruch bei einer Kostenerhöhung von unter 20 % jedoch ab (OLG Düsseldorf, IBR 2009, S. 193 ff.).

Es dürfte auch hier anzunehmen sein, dass die Opfergrenze jedenfalls dann überschritten ist, wenn nicht nur durch die Mehrkosten der Gewinn des Unternehmers vollständig aufgezehrt wird, sondern sogar die Kosten des Unternehmers nicht mehr gedeckt sind. Dann ist das Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar. Dass bzw. wann dieser Fall erreicht ist, wird den Unternehmer in der Praxis zu weitgehenden kalkulatorischen Offenbarungen zwingen.

Behinderungsanzeige nach § 6 VOB/B

Für den Auftragnehmer im Rahmen eines VOB/B-Vertrages besteht in wahrscheinlich begrenztem Umfang die Möglichkeit, sich durch eine Behinderungsanzeige nach § 6 VOB/B gegen die Verringerung seines Gewinns zu wehren. Jedenfalls sieht § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) VOB/B vor, dass Ausführungsfristen verlängert werden, wenn durch höhere Gewalt oder andere für den Auftragnehmer unabwendbare Umstände eine Behinderung eintritt. Dass die Corona-Krise höhere Gewalt ist, dürfte kaum zu bestreiten sein. Ob die Preissteigerung zu einer Behinderung führt, dürfte wiederum fraglich sein. Nur wenn Material tatsächlich nicht beschaffbar ist, muss von einer Behinderung ausgegangen werden.

In beiden Fällen sollte eine entsprechende Behinderungsanzeige jedoch zumindest vorsorglich unverzüglich und ausreichend gut begründet erfolgen. Anschließend bleibt jedoch nur die Hoffnung, dass die Krise endet und Baumaterialien wieder und zu vertretbaren Preisen verfügbar werden.

Wie Sie Ihre Bauverträge krisensicher gestalten, erklärt Ihnen

Nils Gerloff

Nils Gerloff
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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