Verbraucherwiderruf bei telefonischem sog. „Bestell und hol ab“-Geschäft

Seit nunmehr 10 Jahren existiert im Bürgerlichen Recht das Verbraucherwiderrufsrecht, wie wir es derzeit kennen. Eingeführt wurde dieses, um Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Möglichkeit der Kontrolle im Fernabsatz gekaufter Ware zu ermöglichen, diese also zu schützen. Immer wieder versuchen Unternehmen diese Regelungen zu umgehen. Noch heute haben sich Gerichte und Kanzleien daher mit den Feinheiten dieses Rechtsinstituts zu beschäftigen, so jüngst in einem Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 25.09.2024 (42 C 2205/23), welches wir für unsere Mandantschaft erfolgreich erfochten haben.

Der Sachverhalt

Die Mandantschaft kaufte im Rahmen eines Telefonates mit einem Mitarbeiter der späteren Beklagten aus der Filiale in Osnabrück Fahrzeugreifen. Bereits zuvor waren dort Reifen gekauft worden, sodass der Mitarbeitende der Mandantschaft mitteilte, er wisse, welche Reifen zu beschaffen seien. Die Reifen wurden bestellt, der Kaufpreis wurde vereinbart. Über ein mögliches Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB wurde nicht aufgeklärt. Die Reifen wurden in die Filiale nach Osnabrück geliefert, abgeholt, bezahlt und aufgezogen. Anschließend zeigte sich, dass die Reifen zu klein waren. Trotz anwaltlicher Aufforderung, verweigerte die spätere Beklagte die Lieferung passender Reifen, sodass das Amtsgericht Osnabrück mit dem Fall zu beschäftigen hatte. Außergerichtlich wurden sowohl der Widerruf, als auch der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

rechtliche Grundlagen

Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach Widerruf ergibt sich in diesem Fall aus §§ 312c, 312g, 355 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB. Voraussetzung hierfür ist ein Vertragsschluss ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Zudem muss der Widerruf im Rahmen der Widerrufsfrist erfolgen. Diese beträgt ein Jahr und zwei Wochen, wenn der Verbraucher im Rahmen des Kaufes nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, § 356 Abs. 3 S. 2 BGB. Soweit keine Belehrung erfolgte, schuldet der Verbraucher keinen Wertersatz für die Abnutzung der Kaufsache, § 357a Abs. 1 BGB.

rechtliche Bewertung des Amtsgerichts

Genau diese Voraussetzungen sah das Amtsgericht Osnabrück im vorliegenden Fall als gegeben an.

Dabei stellte das Gericht erstens fest, dass der Vertragsschluss im Rahmen des Telefonats zustande kam. Die Beklagte hatte vehement die Ansicht vertreten, der Vertragsschluss sei erst bei Abholung der Reifen bzw. Bezahlung des Kaufpreises in der Filiale zustande gekommen und damit nicht ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, sodass kein Fernabsatzvertrag nach § 312c BGB vorliege, sodass auch kein Widerrufsrecht bestehe. Das Gericht beurteilte dies anders und stellte unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH (NJW 2017, S. 1024 ff; NJW 2021, S. 304 f.) insbesondere fest, dass der Ort der Erfüllung des Vertrages unerheblich für die Beurteilung des Vertragsschlusses sei. Der Vertragsschluss begründet sich nämlich durch die Vereinbarung der sog. essentialia negotii. Sobald diese durch übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB), vereinbart sind, kommt der Vertrag zustande.

Zweitens stellte das Gericht richtigerweise fest, dass die Lieferung der zu kleinen Reifen gleichzeitig eine mangelhafte Leistung darstellte, die darüber hinaus zum Rücktritt berechtigte. Rechtlich kam es hierauf nicht mehr an.

Auswirkungen der Entscheidung

Die sog. „Bestell und hol ab“-Geschäfte erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit. Das Amtsgericht Osnabrück hat nunmehr erneut festgestellt, dass dies aber nicht dazu führt, dass das Verbraucherwiderrufsrecht entfällt. So haben es bereits andere Gericht gesehen (AG Charlottenburg, Urteil vom 18.02.2016 – 211 C 213/15; OLG Oldenburg, Urteil vom 12.03.2020 – 14 U 284/19 als Berufungsurteil auf das LG Osnabrück, Urteil vom 16.09.2019 – 2 O 683/19).

Fortgang des Verfahrens

Die Beklagte hat Berufung zum Landgericht Osnabrück eingelegt, welches in ähnlichem Fall bereits für die Verkäuferin entschieden hatte, dessen Urteil in der Berufung jedoch nicht gehalten wurde. Den Artikel aktualisieren wir, sobald das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

Bei allen kaufrechtlichen Fragen steht Ihnen Rechtsanwalt Nils Gerloff (Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht) gerne zur Seite.

Nils Gerloff

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Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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