Linksabbieger gegen Überholer im Straßenverkehr - Haftungsverteilung bei streitiger Unfallsituation

Eine häufige und besonders streitige Unfallsituation im Straßenverkehr ist die Kollision zwischen einem Linksabbieger und einem Überholer. Der Fahrer des linksabbiegenden Fahrzeuges behauptet dabei häufig, dass er sich zur Fahrbahnmitte eingeordnet und links geblinkt habe. Als er dann zum Abbiegen ansetzte, sei es zum Unfall mit einem überholenden Pkw-Fahrer gekommen. Dieser hingegen behauptet, dass der vor ihm fahrende Pkw seine Geschwindigkeit verlangsamt habe und eher nach rechts fuhr, so dass er den Eindruck gehabt habe, überholen zu können. 

Bei dieser Unfallsituation kommt es ganz entscheidend darauf an, welche Fahrweise durch Zeugen und gegebenenfalls durch Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens bewiesen werden kann. In rechtlicher Hinsicht ist dann die Frage, welcher bewiesene Verkehrsverstoß wie stark zu werten ist. 

Tempoverringerung des Linksabbiegers reicht nicht für Annahme einer unklaren Verkehrslage

Das Landgericht Gera hat in einem Urteil aus Juni 2013 die Auffassung vertreten, dass dann, wenn es in unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegen zur einer Kollision mit einem links überholenden Fahrzeug kommt, der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Linksabbieger seine Sorgfaltspflicht aus § 9 Abs. 1 StVO verletzt hat. Weiter verneinte das Landgericht Gera die Mithaftung des überholenden Fahrzeuges, da keine unklare Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1StVO vorlag, denn allein die Tatsache, dass der Linksabbieger seine Geschwindigkeit verlangsamte, reicht für die Abnahme einer unklaren Verkehrslage nicht aus. 

Die Sorgfaltsanforderungen für den Linksabbieger sind also besonders hoch, da er seiner doppelten Rückschaupflicht genügen muss, was häufig schwierig zu beweisen ist. Dem überholenden Pkw-Fahrer muss der Linksabbieger für eine Mithaftung weiter nachweisen, dass dieser bei einer unklaren Verkehrslage überholt hat. Eine solche liegt nur dann vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem gefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf, wenn also die Verkehrslage unübersichtlich bzw. ihre Entwicklung nach den objektiven Umständen nicht zu beurteilen ist. 

Haftpflichtversicherer spielen auf Zeit

Diese streitige Unfallsituation führt dazu, dass die beteiligen Haftpflichtversicherungen auf Zeit spielen, d.h. keine Zahlungen leisten, so dass der Geschädigte sich entscheiden muss, ob er die Reparatur seines Fahrzeuges auf eigene Kosten durchführt oder seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nimmt, was dann häufig der Rechtsanwalt mit abwickelt. Hierzu stellt das Landgericht Gera klar, dass die Kosten für die anwaltliche Inanspruchnahme der Kasko-Versicherung als erstattungsfähiger Schaden zu berücksichtigen sind, wobei dies nur dann der Fall ist, wenn aus Sicht des Geschädigten in seiner speziellen Sicht die Beauftragung eines Rechtsanwaltes gegenüber der Vollkasko-Versicherung erforderlich war. 

Diese Unfallsituation, die auf den ersten Blick eindeutig scheint, sollte jeden Geschädigten dazu bewegen, nach dem Verkehrsunfall einen Fachanwalt für Verkehrsrecht aufsuchen, um bestmöglich seine Interessen durchzusetzen. Die Kosten des Rechtsanwalts übernimmt die gegnerische Versicherung, wenn der Unfallgegner den Unfall allein verschuldet hat. Für die Führung eines Prozesses ist die Hinzuziehung einer Rechtsschutzversicherung sinnvoll, da ein mögliches Unfallrekonstruktionsgutachten erhebliche Kosten auslöst. 

Ralf Wöstmann

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht 

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