Abfindung für künftigen Pflichtteilsanspruch?

Bei Vorhandensein mehrerer Kinder ist die Regelung der Pflichtteilsansprüche einer der wichtigsten Punkte der gesamten Nachlassplanung.

Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Unternehmen oder größerer Immobilienbesitz nicht auf alle Kinder übergeht. In diesem Falle ist die Auszahlung der rechnerischen Pflichtteile oftmals nicht möglich, erst recht keine völlige Gleichstellung aller Kinder.

Verzicht auf den künftigen Pflichtteilsanspruch durch die abgehenden Kinder

In diesen Fällen war bisher der Verzicht auf den künftigen Pflichtteilsanspruch durch die "abgehenden" Kinder gegen eine Abfindung eine geeignete Gestaltung, weil die bisherige Steuerrechtsprechung die Steuerklassen, die Freibeträge und den Steuersatz nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (abgehendes Kind) zum künftigen Erblasser (Elternteil) beurteilte. Mit dieser gestaltungsfreundlichen Praxis hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit seiner Entscheidung vom 10.05.2017 - II R 25/15 - Schluss gemacht.

Für die Besteuerung des Erwerbs eines gesetzlichen Erben von einem anderen gesetzlichen Erben aufgrund Verzichts auf künftige Pflichtteils-(ergänzungs-)ansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrages ist nunmehr nach den allgemeinen Regeln das Verhältnis des Verzichtenden zu dem anderen gesetzlichen Erben (Geschwister) maßgebend. Dies bedeutet konkret, dass aufgrund der nun heranzuziehenden Steuerklasse II nur ein Freibetrag von aktuell 20.000,-- € und ein entsprechend höherer Steuersatz zwischen 15 % und 43 % zu berücksichtigen sind. Dies wirkt sich beispielhaft wie folgt aus:

Zahlt der Bruder A seiner Schwester B für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch eine Abfindung von 700.000,-- €, würde bisher eine Schenkungssteuer von 33.000,-- € anfallen (bei einem Freibetrag von 400.000,-- € und einem Steuersatz von 11 %). Nach der geänderten Rechtsprechung des BFH ergibt sich eine Steuerbelastung von 190.000,-- € (unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 20.000,-- € und eines Steuersatzes von 30 %).

Ein Verzicht vor dem Erbfall ohne Entgelt ist nach wie vor möglich und nicht steuerbar.

Verzicht des Pflichtteilsberechtigten zu Lebzeiten des Erblassers

Darüber hinaus kann der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erblasser zu dessen Lebzeiten auf seinen Pflichtteil verzichten. Erfolgt der Verzicht gegen Zahlung einer Abfindung, ist dies eine steuerbare Zuwendung, bei der allerdings das Verwandtschaftsverhältnis des Verzichtenden zum Erblasser maßgeblich bleibt, d. h. der hohe Freibetrag für Kinder von 400.000,-- € erhalten bleibt.

Das gleiche gilt, wenn ein Pflichtteilsberechtigter für den Verzicht auf einen bereits entstandenen aber noch nicht geltend gemachten Pflichtteil - also nach dem Erbfall - eine Abfindung erhält. Auch dies ist ein steuerbarer Vorgang, wobei die Abfindung auch hier "als vom Erblasser zugewendet gilt", d. h. mit den hohen Freibeträgen.

Da die Gestaltungsmöglichkeiten zu erheblichen Steuerbelastungsdifferenzen führen können, ist ein Pflichtteilsverzicht sorgfältig unter fachkundiger Beratung zu prüfen. Von einem Verzicht zwischen Geschwistern vor dem Erbfall ist nach neuer Rechtsprechung abzuraten.

Bei Fragen hierzu wenden Sie sich bitte an:

Hermann Roling

Rechtsanwalt und Notar a. D.
Fachanwalt für Erbrecht
Testamentsvollstrecker (DVEV zertifiziert)

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